von Bodil Busch
Budapest 8.-12. April 2024
Als Leitung einer kleinen Volkshochschule bin ich nicht nur mit dem Tagesgeschäft, sondern auch häufiger mit Projektmanagement beschäftigt, sei es für größere Veranstaltungen oder geförderte Projekte wie talentCampus. Der „europass Teacher Academy“ -Kurs Digital Tools for Managing Projects in Education klingt also richtig gut und passend für mich, denn ich bin immer für Arbeitserleichterung durch digitale Hilfsmittel und Unterstützung beim strukturierten Arbeiten dankbar. Sobald weitere Personen in die Planung involviert sind, die nicht zeit- oder ortsgleich arbeiten, sind kollaborative Werkzeuge außerdem eine großartige Hilfe. Ich entscheide mich für Budapest als Kursort, denn ich war noch nie in Osteuropa.
Montag, 08.04.2024
Der Tag startet mit Sonnenschein nach einer angenehm ruhigen Nacht in einem schönen Altbau in Budapest. Der Fahrstuhl sieht nicht vertrauenerweckend aus, funktioniert aber erstaunlich zuverlässig. Nach der nächtlichen Ankunft am Vortag war es zu spät, Geld abzuheben, also führt der erste Weg zum Bankautomaten und dann zum Fahrkartenautomaten. Der öffentliche Nahverkehr ist günstig und sehr gut – der 15-Tage-Pass für Bus, Straßenbahn und Metro ist erhältlich für ca. 15 €. In der Woche stellt sich heraus, dass Bargeld fast überflüssig ist, überall wird ganz unkompliziert mit Karte, Smartphone oder Smartwatch bezahlt.
Die Schule Converzum, eigentlich eine Sprachschule, befindet sich auf dem Westufer der Donau, also in Buda. Hier findet der der Erasmus+-Kurs Digital Tools for Managing Projects in Education statt. Von meiner Unterkunft in Pest auf dem Ostufer fahre ich mit Umsteigen etwa 20 Minuten mit der Tram dorthin – oder 10 Minuten mit dem Bus, der aber seltener und unzuverlässiger fährt.
Die Begrüßung durch den Kursleiter Andrea (Italiener, lebt schon lange in Budapest), ist herzlich und es gibt genügend Zeit, vor dem Unterrichtsbeginn einen Kaffee zu trinken. Der Unterricht beginnt mit ein paar kleinen Aufwärm- und Kennenlernspielen. Außer mir sind vier Lehrer*innen von einer weiterführenden Schule auf Kreta und ein Lehrerin aus Barcelona (Áurea) im Kurs, zwei Personen aus Griechenland fehlen, wir bleiben also zu sechst.
Die Lehrkräfte stellen ihre Schulen vor und auch ich habe (dank der Erfahrung aus einem Erasmus+-Kurs vor fünf Jahren) eine kleine Präsentation vorbereitet. Es ist nicht immer leicht zu erklären, was eine Volkshochschule ist – insbesondere, wenn es kein Gebäude gibt (und das Ganze auf Englisch!). Andrea gibt einige touristische Tipps, stellt die Schule Converzum vor und sorgt für eine angenehme Atmosphäre mit seiner heiteren Ausstrahlung. Die Schule hat einen zentralen, offenen Aufenthaltsraum, mit dem einige Klassenräume und Büros durch Glastüren verbunden sind. In der Pause gibt es dort Snacks und Heißgetränke.
Nach der Pause geht es um das Projektmanagement. Der Projektmanager braucht vor allem folgende Fähigkeiten: leadership, communication und problem solving skills. Also Führungskompetenz, Kommunikationskompetenz und Problemlösungskompetenz. Als Beispiel für Kommunikationskompetenz spielen wir ein kleines Spiel: eine Person erhält eine einfache Grafik, die Partner* erstellt eine Zeichnung nach den Anweisungen der ersten Person, ohne Hinweise auf das Motiv zu erhalten. Die Ergebnisse sorgen für Heiterkeit und zeigen, wie wichtig sehr exakte Anweisungen sind, um das gewünschte Ergebnis zu erhalten.
Eine gute Führungsperson ist empathisch und verteilt Aufgaben abgestimmt auf die Kompetenzen der jeweils Beteiligten und kommuniziert angemessen, wiederholt Anweisungen mehrere Male, geht auf Anregungen ein und ist flexibel in der Ausführung. Problemlösungskompetenz heißt, vorausschauend zu planen und mögliche Schwierigkeiten bereits im Voraus mitzudenken.
Merkmale von Projekten (im Gegensatz zu Arbeitsabläufen – operations):
– zeitlich begrenzt (temporary)
– komplex
– abgeschlossen (definite)
– ergebnisorientiert (outcome)
Wir überlegen uns ein paar Beispiele für projects im Vergleich zu operations.
Projekte durchlaufen in der Regel verschiedene Phasen:
- Projektstart
- Projektplanung
- Projektausführung
- Projektkontrolle
- Projektende
Das Scheitern eines Projekts wird häufig verursacht durch:
- falsches Zeitmanagement
- schlechte Kommunikation
- fehlende finanzielle Resourcen
- „scope creep“ (das Projektziel ändert sich schleichend im Prozess oder wird immer größer)
Die Organisation eines Schulausflugs soll unser Beispielprojekt für diese Woche sein – alle praktischen Wochenaufgaben beziehen sich auf dieses imaginäres Projekt. Wir überlegen uns in Zweiergruppen ein Setting. Áurea und ich werden einen Trip für zwanzig Schüler*innen nach Australien organisieren (denn Geld spielt keine Rolle, aber der Mond ist dann doch zu weit ;-).
Zuerst wenden wir uns dem Mind Mapping zu, es hilft, Information zu strukturieren, eine Übersicht über alle Aspekte des Projekts zu gewinnen und zusätzliche Ideen zu generieren. Als erstes digitales Tool lernen wir „coggle“ kennen. Die praktische Arbeit hiermit wird auf den nächsten Tag verschoben, da es bereits 13 Uhr ist und um 14 Uhr der gemeinsame Spaziergang auf den Burgberg stattfinden soll.
Dieser stellt sich als vierstündige Wanderung mit zahlreichen Treppen heraus. Eine Mitarbeiterin der Schule – ebenfalls Andrea (in Italien ein männlicher, in Ungarn wie bei uns ein weiblicher Name) hat viel zu Budapest zu erzählen. Es ist warm wie bei uns im Hochsommer, zum Glück weht ein angenehmer Wind. Abends schmerzen die Füße, ich fühle mich erschossen wie das Eichhörnchen in „meiner“ Straße, der Falk Miksa utca (Mini-Skulptur vom Künstler Mihály Kolodko, davon gibt es in der Stadt einige zu entdecken). Der Tag war voll und ich bin gespannt auf die restliche Woche.
Dienstag 09.04.2024
Wieder ein warmer, sonniger Tag und ich bin eine halbe Stunde früher in der Schule, um das Lerntagebuch von gestern bei einem Cappuccino zu Ende zu schreiben. Den Kurstag starten wir mit „Kahoot“ und der weiblichen Andrea. Spielerisch fragt sie mit der App die Informationen über Budapest ab, mit welchen sie uns gestern reichlich gefüttert hat. Ein einfaches Quiz-Tool, das ich bereits bei dem vorherigen Erasmus+- Aufenthalt in Barcelona kennengelernt habe.
Dann probieren wir „coggle“ aus und erstellen eine Mind Map für unser Fantasieprojekt: ein Klassenausflug nach Australien. Die Vorteile des Tools: wir bekommen einen visuell ansprechenden Überblick über das gesamte Projekt, das besonders zur gemeinsamen Bearbeitung und Ideensammlung geeignet ist. Die Nachteile treten aber auch klar hervor: eine strukturierte Darstellung ist nicht möglich, eine Zeitplanung lässt sich nicht integrieren und die Gestaltung verschlingt mehr Zeit als nötig.
Wir greifen auf KI (künstliche Intelligenz) als Planungstool zurück und generieren mithilfe von „ChatGPT“ einen Vorschlag für Vorbereitungen sowie eine Tabelle mit Aktivitäten für jeden Tag unserer geplanten Klassenreise. Wir lernen dabei, wie wichtig genaue Prompts sind. Nebenbei nutzen wir „DeepL“, ein hochentwickeltes kostenloses Übersetzungs- und Textverbesserungsprogramm – wirklich hilfreich!
Wir machen eine 15-minütige Pause und beschäftigen uns dann mit den Vorteilen und Risiken von Cloud-Speichern. Als Beispiel nutzen wir „OneDrive“ von Microsoft. Dann probieren wir „To Do„, also eine Aufgabenliste, von Microsoft aus. Alle erstellten Dokumente können natürlich über „OneDrive“ geteilt werden. Die „Gamma.App„, ein weiteres AI-Werkzeug, kann z.B. mit dem Text, den „ChatGPT“ für uns erstellt hat, eine Präsentation erstellen und sogar passende Fotos dazu einbinden. Allerdings zeigt unsere Testaufgabe – „Erstelle eine Präsentation über Deine Heimatstadt“ – auch die möglichen Risiken: Mein Heimatdorf in Schleswig-Holstein hat auf einmal einen Botanischen Garten, Strände und sogar ein Schloss. Die Fotos zeigen Dorfgassen mit Fachwerkhäusern, vermutlich in Süddeutschland. Wer mit einem Thema nicht wirklich vertraut ist, wird also auch kaum mögliche Fehler in den von der KI zusammengesuchten Informationen aus dem Netz erkennen können.
Mit „Forms“ von Microsoft erstellen wir einen Fragebogen, gerichtet an die Teilnehmenden unseres Australien-Ausflugs zur Vorbereitung auf die Reise. Die Fragen haben vorher mit „ChatGPT“ erstellt. Es geht in rasendem Tempo durch die verschiedenen Werkzeuge. Um wirklich die für die eigenen Zwecke nützlichen Tools auszuwählen und zu bewerten, braucht es eine deutlich eingehendere Beschäftigung damit, wofür im normalen Arbeitsalltag meist keine Zeit bleibt. Für kleinere Aufgaben wie z.B. die Texterstellung für das VHS-Kursprogramm, sind KI-Tools aber auf jeden Fall eine nützliche Unterstützung und einfach anzuwenden durch learning by doing, d.h. an den Ergebnissen erkennen wir Fehler beim Prompten.
Um 13 Uhr ist wieder Ende. Ich nutze die Möglichkeit, meinen Laptop im Schließfach der Schule zu lassen und fahre direkt zur Schwimmhalle Czázsár Komjadi Uszoda, wo ich ganz entspannt meine 50m-Bahnen bei Sonne und 25 Grad Lufttemperatur im Freibecken ziehen kann, denn um die Mittagszeit ist es schön leer.
Nach einem kurzen Boxenstopp im Apartment treffe ich mich um 15 Uhr mit meiner „Klassenkameradin“ Áurea aus Spanien. Ihre Muttersprache ist Katalan, in der Schule hat sie Spanisch gelernt, im Studium Italienisch und sie spricht besser Englisch als ich. Mein Englisch hat die letzten Jahre ordentlich abgebaut, besonders das aktive Vokabular ist oft lückenhaft.. Für den Kurs ist vor allem ein gutes Hörverständnis erforderlich, und das ist kein Problem – unser Kursleiter Andrea spricht nahezu akzentfrei. Mit Áurea sehe ich mir die Margareteninsel – Margit-sziget – ein riesiger Landschaftspark und Erholungsgebiet mitten in der Stadt, an, das selbst an einem Dienstag ziemlich voll ist. Die Füße sind schon wieder heiß gelaufen (kein Wunder, bei 26 Grad).
Wir legen eine Pause ein und treffen uns um 19 Uhr wieder an der großen Synagoge. Alles in Budapest ist mit dem öffentlichen Nahverkehr schnell und einfach zu erreichen. So gern ich Fahrrad fahren würde – hier ist das extrem stressig und lebensgefährlich, Fahrradfahrer scheinen Freiwild zu sein, besonders für Bus- und Taxifahrer. Es gibt allerdings ein paar Radschnellwege, die nicht sehr gut gekennzeichnet sind, man muss also auch als Fußgänger höllisch aufpassen. Die Synagoge in der Dohány utca (Tabakgasse) ist die zweitgrößte der Welt und im maurischen Stil gebaut, was besonders bei der Abendbeleuchtung sehr gut zur Geltung kommt.
Dort ist auch Treffpunkt für Nachtschwärmer, denn das jüdische Viertel ist bekannt für sein Nachtleben, hier hat der erste und immer noch bestehende „Abrissclub“ Szimpla Kert seinen Sitz. Wir schauen kurz vorbei (um diese Zeit verirren sich nur Touristen hierher) und essen ganz in der Nähe bei einem Streetfood Market unser erstes Lángos, ein typisch ungarisches Fastfood – frittierter Brotfladen mit saurer Sahne und Käseraspeln – SEHR fettig, aber echt lecker. Danach gehen wir zusammen zum Donau-Ufer zu den bronzenen Schuhpaaren. Auf einer Länge von 40 Metern wurden sechzig Paar Schuhe aller Arten und Größen auf dem Boden angebracht. Sie wirken wie hastig abgestreift und sollen an die Massenerschießungen von ungarischen Juden am Donauufer 1944/45 erinnern. Ihre Verlassenheit macht beklommen, besonders, wenn man bedenkt, von wie vielen Personen in dieser Zeit nur ein paar Dinge übrig geblieben sind…
Zurück Richtung Unterkunft nehme ich die Tramlinie 2, die am Donauufer entlang und um das Parlamentsgebäude herumführt und einen Panoramablick auf das Budaer Ufer bietet, wo alle historischen Sehenswürdigkeiten nachts angestrahlt werden.
Mittwoch 10.04.2024
Wir starten den Tag mit einem neuen Spiel: Google Arts & Culture: Say what you see! Are you ready to learn the art of prompting? Mit diesem Tool lernt man spielerisch, durch möglichst korrekte Prompts ähnliche Bilder von der KI erstellen zu lassen wie die vom Programm gezeigten. Dann geht es weiter zum CRM (Customer Relationship Management) -System „Bitrix24“ (Besonderheit: unbegrenzte Anzahl von Mitarbeitern) für kleine und mittelständische Unternehmen. Sehr komplex, viele interessante Funktionen, aber nicht wirklich passend für den Volkshochschulbetrieb. 2000 „Kunden“ jährlich über dieses Tool zu betreuen wäre doch etwas umständlich…
Das Projektmanagement-Tool „Trello“ ist etwas einfacher und übersichtlicher und lässt sich außerdem in den von mir genutzten Google-Kalender integrieren – das ist natürlich eine großartige Option. Die Zusammenarbeit mit anderen ist allerdings nicht ganz ohne Risiko, da man den Zugriff nicht begrenzen kann – d.h. alle Mitarbeitenden können alles bearbeiten und z.B. Aufgaben verändern und löschen. Um anstehende Aufgaben und Timelines möglichst übersichtlich zu ordnen und abzuarbeiten, scheint Trello aber ein gutes Werkzeug zu sein.
„Clipchamp“ ist ein einfaches Programm, um Filme zu erstellen, sehr einfache Aufnahme von Bildschirm und/oder Kamera (hätte ich in Corona-Zeiten gut gebrauchen können) und in allen möglichen Sprachen mit Audio und Untertiteln versehbar. Es bietet unzählige Möglichkeiten und kann sehr gut Sprache zu Text transferieren und umgekehrt. In Zusammenarbeit mit DeepL zur Texterstellung wirklich gut. Wir beschäftigen uns eine Weile damit, machen Aufnahmen und lassen unsere Texte in Englisch und anderen Sprachen vortragen. Ungarisch wird von dem Programm leider nicht angeboten. Mein eigenes Ungarisch beschränkt sich auf Guten Morgen/Tag/Abend, Danke, Wiedersehen… Immerhin komme ich langsam mit der Aussprache klar, die eigentlich regelmäßig ist, aber verwirrend viele s, c, z, ß, sch, tsch, dsch, … Laute enthält. Mein Lieblingswort ist Gyógyfürdő, das bringt meine Zunge aber immernoch zum Straucheln.
Zur Auflockerung gibt es eine kleine Verkleidungseinlage und wir erstellen Fotos von uns selbst für unsere Reisbroschüre nach Zypern/Rom/Australien.
Nachmittags sehe ich mir die Andrássy út mit den hochherrschaftlichen Villen an, nutze die Metrolinie 1 mit den historischen Haltestationen und fahre zum Heldenplatz – muss von einem Megalomanen erdacht worden sein, nicht gerade mein Geschmack. Dann erkunden Áurea und ich den Stadtpark bzw. das Stadtwäldchen dahinter. Im großen Teich gibt es nur Beton zu sehen, kein Wasser, schade. Wir gehen zu einem interessant aussehenden Gebäude und finden uns im frei zugänglichen „Haus der Ungarischen Musik“, einem Museum und Konzertsaal wieder. Wirklich tolle moderne Architektur, mit einer Fotoausstellung im Foyer, einem Museumsshop und einem schicken Café im Obergeschoss, wo man quasi zwischen den Bäumen sitzt. Neben uns ein Klavier, auf dem ein unsichtbarer Spieler für echte Kaffeehausatmosphäre sorgt.
Wir probieren noch die interaktiven Instrumente draußen aus, die man hüpfend und mit viel Bewegung zum Klingen bringen kann und gehen dann weiter zu unserem eigentlichen Ziel, der Vajdahunyad vára (Burg Vajdahunyad), 1896 anlässlich der Millenium-Feiern des ungarischen Reichs aus Holz erbaut. Sie soll die für Ungarn typischen Baustile in seinem Werk vereinigen – also Bauteile aus der Gotik, der Renaissance, dem Barock und die Kopie einer echten mittelalterlichen Burg (Vajdahunyad im heutigen Siebenbürgen) in Einem. Das kam wohl so gut an, das der ganze Gebäudekomplex nach den Feiern massiv in Stein nachgebaut wurde und heute eine richtig schön „alte“ Patina hat.
Also alles Fake – trotzdem schön, finde ich. Dann sehen wir uns noch das Széchenyi-gyógyfürdő (Széchenyi-Heilbad) an, 1881 eröffnet. Schon das Foyer erinnert eher an ein prunkvolles Hotel als an ein Bad. Der Eintritt ist mit ca. 40 € echt happig und das Bad soll zu Stoßzeiten trotzdem total überfüllt sein. Wir nehmen die Metro 1 zurück Richtung Zentrum bis zum Opernhaus, wieder ein grandioses Gebäude, besonders bei Dunkelheit. Die Beleuchtung der historischen öffentlichen Bauten ist wirklich wunderschön, an Lichtverschmutzung und Insektenschutz denken wir jetzt einfach mal nicht.
Zum Abschluss finden wir noch ein winziges Thai-Restaurant, wo zwar alles besetzt ist, aber der Kellner will uns anrufen, sobald ein Tisch frei wird, was er dann auch tut – glücklicherweise erst in dem Moment, als wir gerade eine Kirche verlassen, die wir beim Herumschlendern offen vorfinden. Das Essen ist wirklich gut! Die Tram bringt uns schnell und unkompliziert wie immer nach Hause. Inzwischen kenne ich auch die wichtigsten Linien, mit denen ich die meisten Wege zurücklegen kann.
Donnerstag 11.04.2024
Wie immer starte ich den Schultag mit der Vervollständigung des gestrigen Lerntagebuchs und einem Cappuccino im Foyer der Schule. Wir starten pünktlich. Ungewohnt, mit dem Kursleiter Alessandro (auch er Italiener) in Barcelona waren wir jeden Tag später dran… Andrea meint, er habe sich den ungarischen Sitten angepasst, hier seien alle pünktlich. Im Klassenraum gibt es die tägliche Umfrage „Was habt Ihr gestern gemacht?“ und von allen Teilnehmer*innen kurze Berichte, die fließend zum nächsten Tool führen: „Padlet„, einer collaborativen Pinnwand, auf der Texte, Bilder, Videos, Links, Sprachaufnahmen, Bildschirmaufnahmen und Zeichnungen angepinnt werden können. Wir füllen gemeinsam ein Board mit einigen Fotos von unseren gestrigen Aktivitäten. Auch auf Padlet kann man nur die ersten drei Pinnwände kostenfrei erstellen, dann muss man zur kostenpflichtigen Version wechseln.
Dann geht es wieder zu unserem eigentlichen Thema: Klassenfahrt nach Australien! „Canva“ unterstützt uns dabei, eine schicke Infographik mit den wichtigsten Punkten für die Eltern der Mitreisenden zu erstellen. Canva nutze ich bereits bei der Arbeit für Social Media-Content, daher schaffe ich es tatsächlich, in der kurzen Zeit etwas fertigzustellen. Es geht wieder im Galopp durch die verschiedenen Anwendungen. Ein kurzer Einblick in „Piktochart“ zeigt, wie dieses Programm selbstständig eine Infographik aus einem frei eingegebenen Text mit Hilfe von KI anfertigt und sogar eigenständig passendes Bildmaterial dazu auswählt. In der Testversion kann man bis zu 10 Infographiken erstellen.
Wir probieren das Logo-Erstellprogramm „Design.com“ aus – super, aber das Herunterladen eines Logos ist leider ebenfalls kostenpflichtig, was es bis vor Kurzem wohl noch nicht war (man fragt sich auch, was mit all unseren Daten passiert, die wir freiwillig an Google liefern, indem wir uns überall mit unserem Google-Account anmelden…). Also erstellen wir ein Logo mit Canva und dazu eine Bildabfolge mit unseren Spaßfotos vom Vortag. Mit Clipchamp machen wir aus all dem Material einen Film, lassen uns ein Intro vorschlagen, fügen unser Logo ein, dazu unsere Präsentation aus Canva, zum Schluss einen vorgeschlagenen Abspann, fertig. Sieht schon ganz schick aus… wenn man es richtig machen möchte, muss man aber deutlich mehr Zeit investieren, und die Möglichkeiten sind unendlich, was sich erfahrungsgemäß nicht arbeitserleichternd auswirkt. Wir schaffen noch eine kurze Einführung in „WordPress„, ein freies Content-Management System (CMS). Endlich ein Open-Source-Programm, das nicht unsere Daten einsammelt und vermarktet!
Dann geht es direkt von der Schule zum nächsten Erasmus+-Ausflug mit der Bahn nach Szentrendre, einer Kleinstadt an der Donau mit sehr sehenswertem Stadtkern ca. 20 km nordwestlich von Budapest. Das Wetter ist traumhaft mit ca. 22 Grad und blauem Himmel. Etwas verwundert sind wir, als der barocke Marktplatz schneebedeckt ist… es finden gerade die Dreharbeiten zu einem Actionfilm („John Wick“) statt. Offensichtlich spielt die Szene in einem deutschsprachigen Ort – den Namen „Hofmanns-Platz“, der sehr auffällig an mehreren Häusern angebracht ist, sucht man auf dem Stadtplan vergeblich.
Nach einer Stadtführung mit der weiblichen Andrea haben wir noch Zeit, uns selbst ein bisschen in dem ansonsten sehr beschaulichen Ortskern umzuschauen. Wirklich eine angenehme Abwechslung zum Großstadtleben der letzten Tage. Wir sind aber auch froh, dass dieser ursprünglich für Samstag geplante Ausflug am Donnerstagnachmittag stattfindet, denn auch heute sind schon sehr viele Touristen hier. Gegen 18 Uhr sind wir zurück an der Schule.
Von dort aus geht es direkt ins nahegelegene türkische Bad Veli Bej, das älteste türkische Bad in Budapest, die Mauerreste sind teilweise hinter Glas zu sehen. Es wurde erst kürzlich nach Komplettsanierung neu eröffnet. Das schlicht gehaltene Bad besteht im Kern aus der historischen Anlage mit dem größten und heißestem Bad unter einer zentralen Kuppel und fünf kleineren Becken mit unterschiedlicher Wassertemperatur unter vier weiteren Kuppeln drumherum. Der historische Bauteil ist über moderne Glas-Anbauten mit Saunen, Duschen, Umkleiden etc. verbunden. Die Stunden vergehen dort wie im Flug und Áurea und ich verlassen erst gegen 21 Uhr kurz vor Schließung das Bad.
Freitag 12.04.2024
Im Foyer der Schule zu schreiben ist heute nicht möglich, da es dort voll ist mit jungen Erwachsenen, die im Converzum eine wichtige Englisch-Prüfung bestehen müssen. Die Atmosphäre ist angespannt und ich bin froh, dass wir keine Prüfung über die Digital Tools ablegen müssen – obwohl jeder Kurstag eine Prüfung unserer Fähigkeiten ist, uns in rasendem Tempo auf immer neue Apps einzustellen. Ich setze mich also in den Klassenraum.
Pünktlich um 9 Uhr erscheint unser Kursleiter Andrea, während die anderen im Foyer noch auf ihren Cappuccino warten. „Female Andrea“ kommt zum Unterrichtsstart und lädt uns zu einem Kahoot-Quiz über Szentendre ein. Das Tool ist wirklich gut geeignet, um eine Lerngruppe zu Beginn des Unterrichts aufzuwecken und auf ein Thema zu fokussieren, es entsteht automatisch eine spielerische Wettbewerbsatmosphäre (verstärkt durch eingebaute Scherzfragen) und es dauert nur wenige Minuten. Für Kursleitende optimal, um das am vorhergehenden Kurstag Gelernte kurz zu wiederholen. Wir erstellen als nächstes ein eigenes Quiz mit „Quizizz„, das hierfür KI nutzt – es reicht die Angabe eines Themas. Anzahl der Fragen, Schwierigkeitsgrad,… kann angepasst werden und natürlich kann man alles nachträglich bearbeiten. Aber auch hier gilt: man muss sich schon mit einem Thema auskennen, um vor der Freigabe Fehler zu erkennen.
Es geht weiter mit Webkonferenzen. Kursleiter Andrea führt uns „Calendly“ vor, ein Tool, das den eigenen Kalender (z.B. Google Kalender) mit einem Webkonferenz-Tool wie z.B. Zoom verbindet. Auf die Art kann man über den Kalender Webkonferenz-Termine anbieten und einen Konferenzpartner den Termin auswählen lassen. Eigentlich ist es ein Tool, um Termine zu buchen – egal, ob Webkonferenzen oder Telefontermine oder reale Treffen. Für meine Zwecke nicht wirklich nützlich, da ich mit einer einzelnen Person immer die persönliche Terminabsprache vorziehen würde. Für mehrere Konferenzteilnehmende funktioniert die gemeinsame Terminfindung nicht – hier nutze ich „Doodle“ oder ein ähnliches Tool.
Nach der Pause gibt es eine kurze Werbeeinlage für Europass-Kurse und für den neuen Converzum-Schulstandort in Ljubljana.
Wir gehen über zu „WordPress“ und sehen uns an, wie das Vorgehen bei der Erstellung einer Website ist und wie Backend (Administrationsoberfläche) und Frontend (Benutzeroberfläche), verknüpft sind. WordPress ist intuitiv bedienbar und kann auch von mehreren Personen mit unterschiedlichen Zugriffsrechten bearbeitet werden. Passendes Bildmaterial zum Füttern unserer imaginären Website können wir mit „Adobe Firefly“ erschaffen – das Programm kreiert Bilder mit Hilfe von KI und schlägt Stichworte für die Prompts vor, die helfen, die Vorgaben zu spezifizieren. Wir amüsieren uns über einige Ergebnisse (meine von der KI erstellte Yogakurs-Teilnehmerin z. B. hat an Stelle von Füßen ein zweites Paar Hände). Ansonsten ist es wirklich erstaunlich, wie „echt“ die Fotos wirken. „Tengr.ai“ ist ein ungarisches KI-Tool, das auch vorgegebene Fotos verwenden und weiter bearbeiten kann – z.B. um Bilder zu generieren, wenn ein bestimmter Kurs mit KI-erstellten Personen vor dem Hintergrund des eigenen Kursraums beworben werden soll. Diese weiter fortgeschrittenen Möglichkeiten sind in der Regel aber nicht mehr über die freie Testversion verfügbar.
Klar wird, dass KI quasi unendliche Möglichkeiten liefert, aber auch, dass man einem „perfekten“ Bild nicht trauen kann und die Glaubwürdigkeit von nicht perfektem, anscheinend unbearbeiteten Bildmaterial steigen wird. Außerdem kommt die Frage auf, wie man mit der unbekannten Herkunft der von der KI ausgewerteten Bilder umgeht – ist es uns egal, welche Quellen genutzt werden? Was ist mit Urheberrechten? Werden „Fakes“ immer weiter vervielfältigt, weil die KI quasi ein redundantes System ist? Für eine Diskussion ist keine Zeit, und die Fragen können wir natürlich nicht abschließend beantworten, aber da die Entwicklung der KI durch die sich schnell verbreitende Anwendung immer mehr beschleunigt wird, gibt es zukünftig sicher Anbieter, die dafür bezahlt werden, dass sie für die Authentizität der verwendeten KI-Quellen bürgen können.
Wir schließen unsere Wochenaufgabe ab, indem wir mit WordPress eine rudimentäre Website gestalten, in die alle unsere mit Hilfe der digitalen Tools erstellten Arbeitsergebnisse integriert werden: die Umfrage, die Fotos und das Video, und sehen uns gemeinsam die Ergebnisse an. Zum Abschluss gibt es nochmal ein kleines Quiz, bei dem einige Stichpunkte zum Thema Projektmanagement, was am ersten Tag kurz abgehandelt wurde, abgefragt werden.
Wir werden außerdem dazu angehalten, sofort vor Ort den Evaluations-Fragebogen auszufüllen. Die mündliche Feedback-Runde fällt leider sehr knapp aus – es wird nur gefragt, ob wir noch Fragen haben. Auf unsere im Lauf der Kurswoche wiederholte Bitte, uns die Präsentation des Kursablaufs in irgendeiner Form zukommen zu lassen, werden wir immer wieder vertröstet und es gibt auch am Ende kein Handout oder Kursmanual, weder in digitaler noch in gedruckter Form. Die Zertifikate werden verteilt, Fotos gemacht und die Teilnehmenden versprechen, sich gegenseitig zu besuchen, wenn sie mal in der Gegend sind (was bei Kreta und Barcelona im Bereich des Wahrscheinlichen liegt, während ich wohl kaum mit Kiel-Urlaubern zu rechnen brauche ;-).
Fazit
Wir haben in dieser Woche einige Apps kennengelernt und kurz ausprobiert, es gab allerdings wenig Hintergrundinformationen, die sicher nützlich gewesen wären: Für wen und in welchem Zusammenhang ist ein bestimmtes Tool wirklich hilfreich? Was macht überhaupt Sinn, wenn man die Arbeitszeit bedenkt, der jeweils für die Einarbeitung aufgewendet werden muss? Wie weit bringt uns die Testversion, wenn klar ist, dass der regelmäßige Gebrauch des Tools kostenpflichtig ist? Wie gehen wir dabei mit unseren Daten und denen anderer Beteiligter (z.B. Schüler*innen bzw. Teilnehmenden) um? Usw. Der Austausch untereinander zu Themen bei der täglichen Arbeit war limitiert durch den Umstand, dass die anderen Teilnehmenden ausschließlich Lehrer an allgemeinbildenden Schulen waren.
Interessant fand ich die verschiedenen Möglichkeiten, KI im Arbeitsalltag einzusetzen. Das war bis vor kurzem noch kein Thema, aber der Bereich entwickelt sich rasant und es ist wichtig, hier am Ball zu bleiben. Der Umgang damit, z.B. bei Schülerarbeiten, ist vor allem für Lehrer schon sehr aktuell. Wir haben auch ein Tool kennengelernt, das KI-generierte Inhalte identifizieren kann – auch das nicht fehlerfrei, aber einigermaßen zuverlässig. Und es gibt Apps, die damit werben, KI-generierte Texte „menschlich“ umzuschreiben, z.B. „WriteHuman„, the built-in humanizer: Create truly undetectable AI today – dieses Tool funktioniert allerdings (noch) nicht wirklich auf deutsch. Fazit: es gibt KI-gestützte Apps/Tools/Programme für jeden Zweck, den man sich denken kann. Welche einem wirklich nützen, muss man selbst herausfinden.
Für meine tägliche Arbeit nehme ich ein paar Dinge mit: für das Zeitmanagement werde ich Trello ausprobieren, zumindest, wenn es sich tatsächlich gut in mein bereits genutztes Kalendertool integrieren lässt. Texte können von ChatGPT oder DeepL erstellt werden, ich muss zwar sorgfältig nacharbeiten, trotzdem sehe ich hier eine deutliche Zeitersparnis z.B. bei Kurstexten für das Programm, für Pressetexte oder für Social-Media-Inhalte. Beim Bildmaterial für Social Media, Aushänge oder Flyer hilft vor allem Canva, das ich bereits nutze, aber auch Adobe Firefly, um Bilder für Canva einfacher und umfangreicher zu bearbeiten oder sogar zu generieren. Für bestimmte Projekte könnte ich mir auch vorstellen, selbst eine einfache Website mit WordPress zu erstellen. Den Kursleitenden im Sprachenbereich und bei der digitalen Grundbildung würde ich empfehlen, Kahoot oder Quizziz als spielerisches Element zur Auflockerung und Wiederholung bei Beginn der Kursstunde zu nutzen.
Insgesamt war der Aufenthalt in jeder Hinsicht bereichernd und eine wunderbare Gelegenheit, das prunkvolle Budapest und die höflichen Ungarn ein bisschen kennenzulernen – obwohl man hier wie in jeder europäischen Großstadt mehr Touristen und Zugezogenen begegnet als Einheimischen.