von B. L.
Tag 1 in Tallinn
Nach einem Tag Sightseeing in der wunderschönen Stadt Tallinn begann heute offiziell unsere Erasmus+ Schulung. Am Vorabend hatten wir bereits die Hälfte unserer Mitstreiter/innen bei einem kurzen Come together und anschließendem gemeinsamen Rundgang durch die Altstadt kennen gelernt.
Wir sind insgesamt 26 Teilnehmende aus Portugal, Spanien, Griechenland, Zypern, Tschechien und Deutschland. 23 sind im klassischen Schuldienst tätig und drei aus schleswig-holsteinischen Volkshochschulen.
Mart Laanpere (Senior Researcher in the School of Digital Technologies in Tallinn) ist einer von zwei Dozenten, die uns in diesem Kurs begleiten. Er startet mit einer kurzen Führung durch das Gebäude der Universität von Tallinn, wo unser Kurs stattfindet. Sie ist die drittgrößte Universität in Estland und verfügt über einen eigenen Lehrstuhl „Digitale Technologien“. Das Gebäude ist sehr modern und offen gestaltet. Selbstverständlich gibt es auch hier – wie überall in der Stadt – freies WLAN. Wir schauen uns Räume an, die mit zahlreichen Bildschirmen, beweglichen Tischen, beweglicher Stromversorgung und verschiebbaren Außenwänden ausgestattet sind. Durch diese flexible Ausstattung ist in diesen Räumen fast alles möglich: sehr beeindruckend und ansprechend. Auch die Flure und Zwischenräume sind ansprechend designt – mit bunten Türen, beschreibbaren Glaswänden oder schwarz angestrichen Wänden, die mit Kreide beschriftet werden können.
Angekommen in unserem „Klassenraum“ werden wir über den genaueren Ablauf der Woche informiert und starten dann mit den einzelnen Präsentationen aller anwesenden Schulen. Dabei wird deutlich, dass viele schon einiges in digitale Technik investiert haben, aber nicht immer automatisch davon profitieren. Zum Teil mangelt es den Lehrenden an Motivation, sich mit diesem Thema auseinanderzusetzen, oder die neu angeschaffte Technik passt nicht mit bereits vorhandenem zusammen oder es fehlt an Know How, etc. Auf alle Fälle gibt es viele beeindruckende Beispiele aus ganz Europa, die Hoffnung machen, dass die Digitalisierung in der Bildung vielleicht doch schneller Fuß fassen kann als es oftmals den Eindruck macht.
Durch die Präsentationen gibt es an diesem Tag wenig interaktive Momente – mit einer Ausnahme: Plickers-App – diese App, welche mit einer Browseranwendung gekoppelt ist, erfasst mit der handyeigenen Kamera eine Aufnahme der Klasse bzw. der hochgehaltenen QR-Codes und wertet sofort aus, ob die gegebene Antwort richtig ist. Mart Laanpere stellt Fragen mit vier Antwortmöglichkeiten, diese werden von uns mit einem QR-Code dementsprechend hochgehalten, damit Mart diese abscannen kann und somit die prozentuale Verteilung der Antworten erhält.
Nach einem leckeren Mittagessen in der sehr gemütlichen Cafeteria, die mich in keiner Weise an die Mensa meiner Studentenzeit erinnert, starten wir in den Nachmittag mit dem Thema: Digitale Wende. Auch hier wird deutlich, dass es nicht nur die Technologie ist, die angepasst werden muss, sondern, dass auch die Pädagogik sich ändern muss. Das Lernen sollte kreativer, innovativer, kollaborativer und aktiver werden und jeder Teilnehmende/Schüler sollte über ein mobiles Endgerät verfügen. Und immer wieder geht es um digitale Kompetenz.
Unser erster Tag endet mit einem unterhaltsamen, internationalen Abend, an dem jede Nation typische Getränke, Gerichte, Tänze, Lieder präsentiert und einem anschließenden Abendessen einem sehr schönen und stilvollen Restaurant in Uni-Nähe.
Tag 2 in Tallinn
Heute am zweiten Tag unserer Schulung verbringen wir den letzten kompletten Tag an der Universität. Ab Mittwoch werden wir uns Schulen ansehen.
Heute geht es vor allem um das Thema „Neue Pädagogik“ und pädagogische Innovationen. Innovationen sind meist schwer zu implementieren und sollten daher von den Führungskräften eingeführt werden. Es geht wieder um den Dreiklang: Technologie, Pädagogik und Change Management. Wir sprechen immer wieder über Michael Fullan aus Kanada und seine Beiträge zur Digitalisierung in der Bildung (https://michaelfullan.ca/).
Unser Dozent Mart beschreibt die digitale Wende der letzten 30 Jahre vom einzelnen Computer bis hin zum iPad.
Die Historie:
- Generation: es wurde gelernt, wie der Rechner funktioniert
- Generation: Hauptnutzung war das Lernen vom Computer – bspw. EDV-Programme (EDV-Räume)
- Generation: Zugang zu Wissen – Lernen mit dem Computer und/oder mobilen Endgerät
In einer ersten Interaktion mit Hilfe von Mentimeter (https://www.mentimeter.com/), einer freien App, beantworten wir alle folgende Frage an unseren Endgeräten:
„What could be the most important aspects of Digital Turn in your school?“
Wir erhalten als Ergebnis eine Schlagwortwolke, in der die Begriffe Motivation und Partizipation besonders häufig auftauchen. Wir sind uns einig, dass es eine Kernaufgabe der Bildung ist, die Menschen auf die digitale Zukunft vorzubereiten.
Folgende Online-Anwendungen sind heute Thema:
https://www.plickers.com/ (WIBS: Diese App, welche mit einer Browseranwendung gekoppelt ist, erfasst mit der handyeigenen Kamera eine Aufnahme der Klasse bzw. der hochgehaltenen QR-Codes und wertet sofort aus, ob die gegebene Antwort richtig ist.)
https://kahoot.com/mobile-app/ (Wikipedia: Kahoot! ist eine spielebasierte Lernplattform, die von der gleichnamigen Firma betrieben wird. Sie wurde im August 2013 in Norwegen gestartet und wird mittlerweile von 50 Millionen Menschen weltweit genutzt.)
https://h5p.org/ (Wikipedia: H5P ist eine freie und quelloffene Software zum Erstellen von interaktiven-Inhalten für das Web. Zu bereits verfügbaren Inhaltsformen zählen beispielsweise Videos oder Präsentationen mit eingebetteten Quiz-Aufgaben verschiedenster Art, Zeitstrahlen oder ein Memory-Spiel.)
In einer Gruppenarbeit stellen wir Überlegungen an, wie unsere Teilnehmenden selbst Erklärvideos in bspw. Näh-, Koch-, Yoga- oder Zumbakursen erstellen, die dann in der vhs-Cloud veröffentlicht werden und von den anderen Kursteilnehmenden zuhause genutzt werden könnten.
Mart erläutert die Hintergründe der Entwicklung in Estland: Nach dem Zusammenbruch 1991 gab es bildungstechnisch bis 1996 ein Vakuum, da es fünf Jahre lang keine Rahmenlehrpläne gab und die Schulen frei entscheiden konnten, wie und was sie lehren.
Auch der Club of Rome-Bericht aus dem Jahre 1979 hat das Land beeinflusst. Es fand ein radikaler Wechsel vom reproduktiven Lernen zum innovativen Lernen mit Partizipation und Kollaboration statt. Eine wichtige Voraussetzung für innovatives Lernen ist, dass Lernende Wissen selbst kreieren und nicht nur kopieren und widergeben. Die Schüler/innen sollen bspw. Probleme lösen und selbst Probleme designen. Dies wird in Estland vielfältig umgesetzt und sehr häufig mit digitaler Unterstützung. Zum Teil entwickeln die Schüler/innen sogar eigene Computerspiele. Einen großen Vorteil stellt dabei der hohe Digitalisierungsgrad der estnischen Bevölkerung da.
Zum Schluss berichtet Mart Laanpere noch über innovative pädagogische Ansätze der Universität. Beispielsweise werden Bachelorarbeit wechselseitig von Studenten/innen bewertet. Die Studenten/innen arbeiten kollaborativ und veröffentlichen ihre Ergebnisse und Seminararbeiten in wikis, blogs und clouds. Dies macht eine zusätzliche Bewertung einer Bachelorarbeit eigentlich überflüssig – so die Meinung vom Mart.
Besonders beeindruckt hat mich am heutigen Tag, dass das Internet in Estland als Menschenrecht betrachtet wird!!!
Der Tag endet wie immer mit einem schönen Spaziergang durch die Altstadt und einem anschließenden Abendessen mit dem ganzen Kurs im Kreativzentrum Telliskivi. Dort essen wir im F-Hoone, einem schönen Restaurant in einer ehemaligen Fabrikhalle. Das Essen ist wie immer sehr lecker, originell und „innovativ“ :-).
Tag 3 in Tallinn
Wir starten unseren dritten Tag in der Universität nachdem wir am Vorabend mit fast allen Teilnehmenden und mit Mart gemeinsam essen waren. Wir führten interessante Gespräche – nicht nur über Pädagogik – sondern auch über allgemeine, länderspezifische Themen und Probleme.
Essenstechnisch sind wir hier bestens versorgt sowohl tagsüber im Uni-Café sowie abends in den Restaurants rund um die Telliskivi, eine Straße in der Nähe des Hauptbahnhofes, die viele alternative Restaurants, Cafés und Bars beherbergt. Es sind dort überwiegend junge Menschen unterwegs und man isst überall sehr gut, ausgewogen und bezahlbar. Eine typisch, estnische Küche gibt es laut Mart nicht, da Estland zu lange besetzt und/oder fremdbestimmt war. Es wird relativ früh gegessen, was für unsere südeuropäischen Kollegen und Kolleginnen eine ziemliche Herausforderung ist.
Am heutigen Tag werden wir von Eka J., einer georgischen Doktorandin, in die Methode des Design Thinking eingeführt.
Design Thinking ist ein Ansatz, der zum Lösen von Problemen und zur Entwicklung neuer Ideen führen soll. Ziel ist dabei, Lösungen zu finden, die aus Anwendersicht (Nutzersicht) überzeugend sind (Quelle Wikipedia).
Die Umsetzung von Veränderungsprozessen wie bspw. Verwendung von mehr Technologie und damit eine Erneuerung pädagogischen Ansätze ist nicht ohne die Betroffenen machbar. Eka erläutert in diesem Zusammenhang die Bedeutung der Empathie für die User, die Wichtigkeit der Kollaboration und der Teamarbeit sowie dass die User von den Chancen der Veränderungen überzeugt sein sollten. Man sollte experimentierfreudig und kreativ sein.
Das Design Thinking unterliegt einer strengen Struktur mit genauen zeitlichen Vorgaben. Wir haben zwei Stunden Zeit, um die Methode gemeinsam auszuprobieren und erste Ergebnisse für eine Abschlusspräsentation am Freitag zu erhalten.
Im Anschluss reflektieren wir kurz in der gesamten Gruppe die Methode:
- Die Methode wird als sehr strukturiert wahrgenommen
- Der User wird mittels eines Interviews direkt mit einbezogen
- Interviews sind allerdings für alle Beteiligten sehr zeitaufwändig
- Führungskraft sollte immer mit einbezogen werden
- Zwischen den einzelnen Schritten sollte ausreichend Zeit eingeplant werden
Nach einer Mittagspause starten wir zu unserer ersten Schulbesichtigung: Gustav Adolf Schule im schönen Stadtteil Kalamaja.
Die Grundschule wurde vor zwei Jahren komplett saniert und größtenteils nach Lehrerwünschen umgebaut. Die Schule besticht durch eine sehr offene Bauweise, die für viel Transparenz und große Räume sorgt. Viele Wände wurden ganz entfernt oder durch durchsichtige Glaswände ersetzt. Räume sind multifunktional eingerichtet, Pausenräume sind von vielen Seiten einsehbar und bieten ausreichend Platz für Bewegung.
Die Klassenzimmer sind jeweils mit einer normalen Tafel, einem Whiteboard sowie einem Smartboard ausgestattet. Das war ein Wunsch der Lehrer/innen. Alle drei werden je nach Bedarf genutzt.
Ein Blick in die offene und transparente Schule. Unten im Bild kann man die Mensa erkennen. Jedes Kind in Estland bekommt eine kostenfreie warme Mahlzeit am Tag.
Wir besuchen den Makerspace mit 3D-Drucker, Robotern, Drohnen und einem VR-Raum direkt unter dem Dach. Zwölfjährige Schüler führen die Roboter, Drohnen und VR-Brillen vor. Die Schüler/innen sind die Experten/innen und unterstützen die Lehrer/innen bei technischen Fragen oder sind Ansprechpartner/innen für ihre Mitschüler/innen. Die Lehrer/innen dieser Schule betrachten ihre Schüler/innen als Kollegen/innen.
Die Schüler/innen bewegen sich sehr eigenständig in ihrem Schulgebäude und dürfen im Unterricht ihr Smartphone benutzen. In den Pausen hingegen sind keine Smartphones erlaubt.
Die Lehrer/innen und Schüler/innen arbeiten mit Google Drive und erstellen Tutorials, die für alle jederzeit über die Homepage abrufbar sind. Alle Informationen über die Schüler/innen und dem Geschehen im Unterricht wird in einem E-Diary festgehalten. Das Fach Programmieren wird ab der ersten Klasse unterrichtet.
Im Anschluss besuchen wir das Gymnasium der Gustav-Adolf-Schule, das in einem ehemaligen Kloster untergebracht ist und fast 400 Jahre alt ist. Wir schauen uns den Computerraum an, in dem Schüler/innen betreut von älteren Schülern programmieren. Es sind keine Lehrer/innen anwesend.
Zum Abschluss gehen wir in einen Chemieraum und erleben als Teilnehmende eine interaktive, technikunterstützte Chemiestunde oder besser gesagt eine Mintstunde. Auch hier wird die Lehrerin von älteren Schülern in Bezug auf die Technik unterstützt. Inwieweit dies auf Erwachsenenbildung übertragbar ist, bleibt eine noch offene Frage.
Wie schon in den vergangenen Tagen waren wir auch heute von sehr motivierten und technikbegeisterten, sowie reflektierten Pädagogen/innen umgeben.
Tag 4 in Tallinn
Heute besuchen wir ein estnisches Gymnasium, das Pelgulinna Gümnaasium. Die Schule befindet sich westlich der Altstadt und wir werden mit einem Bus hingefahren. Es ist der erste Tag seitdem wir in Tallinn sind, an dem gleich morgens die Sonne scheint. Die Temperaturen sind trotzdem niedrig und einige sind schon mit Handschuhen unterwegs. Der herbstliche Schmuck der Bäume wirkt erst im Sonnenlicht so richtig golden und kommt erst jetzt richtig zur Geltung.
Birgit, Kunstlehrerin und ICT-Managerin, heißt uns herzlich willkommen. Wir beginnen unseren Rundgang durch das 108 Jahre alte Gymnasium in einem Gebäude aus den sechziger Jahren, das erst kürzlich frisch renoviert wurde. 960 Schüler/innen besuchen die Klassen 1-12. Die Schwerpunkte dieser Schule sind Kunst, Media und Wirtschaft. Es findet hier einmal pro Jahr Estlands größte Fashion Show statt, zu der auch Designer/innen eingeladen werden. Auch die Gründung von Startups ist in dieser Schule ein wichtiges Thema. Die Kinder sollen in ihrer Kreativität unterstützt werden und lernen, über den Tellerrand heraus zu schauen.
Interessant ist, dass Lehrer/innen ihre eigenen Curricula schreiben und die Schüler/innen bis einschließlich Klasse fünf keine Noten bekommen. Sie erhalten stattdessen ein ausführliches, mündliches Feedback. Die Schüler/innen nehmen in jedem Trimester eine Selbstevaluation vor. Alle nationalen Schul-Tests und Pisa-Tests werden online durchgeführt. Alle schulrelevanten Informationen werden auch hier ausschließlich digital in einer speziellen Datenbank festgehalten.
Auch in dieser Schule werden die Lehrer/innen von älteren Schülern/innen bei Bedarf technologisch unterstützt. Die Schule arbeitet mit Drohnen und 3D-Druckern und im Gymnasialzweig ist der Unterricht mit Drohnen sogar verpflichtend. Oftmals sind in diesem Bereich Schüler/innen die Experten/innen und nicht Lehrer/innen. Sie vertrauen ihren Schüler/innen vollkommen und das nicht nur in Bezug auf die Nutzung teurer Technologien, sondern auch hinsichtlich ihrer Lernmotivation und Arbeitsbereitschaft. Diese wertschätzende Haltung ist sehr beeindruckend und überzeugend. Sie wird in dieser Schule offensichtlich erfolgreich gelebt und mit viel Begeisterung vermittelt.
In der Erwachsenenbildung ist Wertschätzung eine Grundvoraussetzung für professionelles pädagogisches Handeln. Eine Ansprache auf Augenhöhe ist sicherlich im Umgang mit erwachsenen Teilnehmenden leichter umzusetzen als mit Kindern. Es sollte immer der Lernende im Mittelpunkt stehen – ob Kind oder Erwachsener.
Nach einer Mittagspause im Uni-Café geht es weiter mit unserem Dozenten James und unserem Aktionsplan. Wir besprechen gemeinsam, was unser konkreter Plan enthalten sollte und wie wir gemeinsam vorgehen können. James stellt uns das lizenzfreie coggle.it vor, mit dem man Mindmaps zeichnen kann. Zuerst sprechen wir in unserer vhs-Gruppe über unsere Vision und Ziele und entwickeln anschließend unseren Aktionsplan für eine Abschlusspräsentation am Freitag. Die Übertragbarkeit aus Schulen auf Einrichtungen der Erwachsenenbildung erweist sich dabei als schwierig, da es nicht wirklich viele direkte Anknüpfungspunkte gibt. Nichtsdestotrotz motiviert das Erleben dieser hochengagierten Lehrkräfte in ihrem Umfeld, zu einer Reflektion und intensiven Auseinandersetzung mit dem Thema Pädagogik und Technologie.
Nach einem ereignisreichen Unterrichtstag genießen wir die Sonne bei einem ausführlichen Spaziergang durch Tallinn, der wie immer in einem der leckeren und gemütlichen Restaurants der Stadt endet.
Tag 5 in Tallinn
An unserem letzten Seminartag in Tallinn besuchen wir die 1903 gegründete Tallinna XXI Kool. Die Schule beherbergt 1385 Schüler/innen von sieben bis 18 Jahren in einem einzigen großen Gebäude. Normalerweise sind Grund- und weiterführende Schulen in unterschiedlichen Gebäuden untergebracht. Schwerpunkte sind an dieser Schule u. a. Wirtschaft, Robotics und Kunst. Auch an dieser Schule ist Musik ein wichtiges Fach und wir werden mit zwei Liedern – gesungen von einem sehr professionellen Schulchor – begrüßt.
Beeindruckt hat mich die Information, dass die Schulbücher alle online vorliegen, sodass die Schüler/innen überall Zugriff auf ihre Lernmaterialien haben.
Bei unserem Rundgang durch die Schule fällt auf, dass überall Kunstwerke der Schüler/innen an den Wänden hängen. Auch im großzügigen, überdachten Innenhof entsteht durch großflächige Kunstwerke eine angenehme Atmosphäre. Manche Gemälde zeugen von enormer Kreativität und von fortgeschrittener Maltechnik. In der ganzen Schule gibt es trotz vieler verwinkelter Räume flächendeckend WLAN.
Wir bekommen den neuesten Raum – das Innovation Studio – gezeigt. Dieser wurde von der Stadt finanziert. Dort können die Schüler/innen Legoroboter programmieren und auch hier gibt es 3D-Drucker. IT wird ab Klasse 1 unterrichtet, Robotics ab Klasse 3 und ab Klasse 6 schreiben alle Schüler/innen ihre Klausuren onlinegestützt.
Digital unterstütztes Lernen und Innovation hat auch hier einen sehr großen Stellenwert. Die Schüler/innen werden dazu motiviert, schon in jungen Jahren Startups zu gründen. Dies kann in Estland online vorgenommen und scheint in 15 Minuten machbar zu sein. Es stellt sich ein Schüler vor, der mit 14 Jahren ein Startup gegründet hat und Videos, die er mit Hilfe seiner Drohne filmt, erfolgreich vermarktet. Die benötigten Kompetenzen hat er sich überwiegend autodidaktisch angeeignet.
In der gymnasialen Oberstufe wird bspw. mit Java programmiert und mit der Tallinner Universität in Bezug auf Smart Engineering (VR) kooperiert. Die Schulhomepage wird von Schüler/innen betreut. Dies sind einige Beispiele, in denen das Expertenwissen von Schülerinnen und Schülern eingesetzt wird.
Auch hier geht in erster Linie darum, dass Schüler/innen sich selbstständig Kompetenzen und Wissen aneignen und dass Lehrerinnen und Lehrer sich glückliche Schüler/innen wünschen.
Am Nachmittag treffen wir uns zu unserer abschließenden Runde in der Universität. Wir fassen zusammen, was wir mitnehmen und wie wir die vier unterschiedlichen Schulen erlebt haben. Alle bestätigen, dass ein sehr natürlicher Umgang mit Technologien wahrgenommen wurde. Es wird die Frage gestellt, ob diese Schulen den Durchschnitt widerspiegeln. Es scheint in Estland keinen elternhausabhängigen Bildungserfolg zu geben. Allen steht das gleiche Bildungssystem zur Verfügung. Viele Schülerinnen und Schüler scheinen sich in hohem Maße mit ihrer Schule zu identifizieren. Privatschulen scheint es kaum zu geben, da es keinen Bedarf dafür zu geben scheint.
Im Anschluss stellen die Teilnehmenden die Aktionspläne ihrer geplanten Projekte vor. Dabei werden folgende wichtige Punkte deutlich:
- Strategieentwicklung findet am besten im Team statt
- Gründung einer Schulentwicklungsgruppe könnte hilfreich sein
- Schüler/innen mehr in den Fokus nehmen
- Mehr selbstverantwortliches Handeln unterstützen
- Die Lernumgebung spielt eine wichtige Rolle
- Den Gedanken des Entrepreneurship bei Schülern/innen wecken
- Schulung der Lehrkräfte
Wir haben in den letzten fünf Tagen viel gesehen, gehört, kontrovers diskutiert und uns in kleineren Gruppen ausgetauscht. Es stand zwar die Technologie im Vordergrund, aber ohne auf pädagogische Ansätze einzugehen, kann dieses Thema zumindest in der Schulbildung nicht abschließend behandelt werden. Für uns Erwachsenenpädagoginnen war es zum Teil schwierig, all das Erlebte und Gesehene auf unsere Volkshochschule zu übertragen. Ich nehme viele wichtige Anregungen mit und gehe motiviert durch die Gespräche nach Hause. Gerne hätte ich eine Volkshochschule oder ein anderes Institut der Erwachsenenbildung gesehen oder mit Erwachsenenbildnern gesprochen. Besonders beindruckt hat mich die digitale Gesellschaft in Estland und die hohe Identifikation mit ihren Werten und Visionen. Tallinn ist eine großartige Stadt mit einer freundlichen und kreativen Bevölkerung und Estland ein Land, das die Chance eines Neuanfangs mit der Unabhängigkeit 1991 hervorragend genutzt hat.