BNE-Reise nach Odense, Dänemark, 15.-17.05.2023

Kurs: Applied Education for Sustainable Development for a Sustainable Future

Gemeinsamer Bericht aller Teilnehmenden

Tag 1, 15. Mai 2023

Montag Mittag geht es los. Einzeln und in kleinen Gruppen kommen wir an. 13 sind wir, Programmbereichsleitungen, Referent:innen und Leitungen aus Volkshochschulen Schleswig-Holsteins sowie dem Landesverband. Einige kennen sich, andere nicht, die Stimmung ist neugierig-zugewandt.

Host-Organisation Cresce und Reflexionsmethoden

Wir treffen uns in Kulturmaskinen. Ein Ort, der ein Herzstück dieses Kurses sein wird. Morgen erkunden wir ihn ausführlich, heute werden wir in einem hellen Seminarraum herzlich begrüßt.

Der Kurs „Applied Education for Sustainable Development for a Sustainable Future“ wurde von der dänischen Non-Profit-Organisation Cresce organisiert und lieferte Einblicke in gute Praxisbeispiele zum Thema Bildung für Nachhaltige Entwicklung.

Cresce wurde im Dezember 2017 von Ulrike Niemann, Piero Maria Gentilini und Carlos Guillemot gegründet, drei Kommilitonen aus Management-Masterprogrammen der University of South Denmark (SDU). Die SDU zählt auch zu ihren Auftraggebern. Cresce gestaltet hier ein Kulturprogramm für Teilnehmer*innen der summer school. Sie begleiten die Entwicklung von Organisationen, führen interkulturelle Trainings durch und entwickeln maßgeschneiderte Bildungsformate – wie in dem von Ulrike und Piero für uns organisierten Workshop. Ihrem Motto “Making the world a better place, one workshop and training at a time” wurden sie dabei aus unserer Sicht absolut gerecht.

Im dänischen Bildungsverständnis stehen die lernende Person, ihre Eigenverantwortung und das wechselseitige Vertrauen im Mittelpunkt. Lehrpersonen oder Einrichtungen stellen einen pädagogischen Rahmen und bieten Lernmöglichkeiten an, deren Wahrnehmung und Ausgestaltung jedoch in der Verantwortung der jeweils lernenden Personen liegt. Aus eigenem Interesse heraus soll der Lernprozess durch die Lernenden gestaltet werden. Kernfragen sind daher: Was interessiert mich? Was will ich lernen? Welche Fragen muss ich dafür stellen? Wie kann ich das Beste aus der Lernsituation für mich rausholen?

Dieses Verständnis ließ sich auch im Programm und den Zugängen von Cresce (lat. Crescere, wachsen) erkennen. Über abwechslungsreiche Methoden und verschiedenen Optionen sowie viel Raum zum Nachfragen vermittelten Ulrike und Piero verschiedene Aspekte und Ansätze von BNE. Hierbei profitiert Cresce von den unterschiedlichen Hintergründen ihrer Gründer*innen (u.a. Schifffahrt, int. Business, Marketing) und ihrer Flexibilität, auf die Bedürfnisse verschiedener Lerngruppen zu reagieren.

Neben vielfältigen Einstiegs- und Reflexionsübungen (bspw. Personen-Bingo zum Kennenlernen oder Dixit-Karten zur Reflexion) setzten die beiden vor allem auf das direkte Erleben vor Ort. So lieferten die pädagogisch angeleiteten Besuche bei Kulturmaskinen, der UCL oder auch bei Regndans abwechslungsreiche Zugänge zur Thematik und authentische Eindrücke sowie Möglichkeiten des Ausprobierens vor Ort. Bei der Organisation Regndans (dt. Regentanz) konnte bspw. das „Circular Design Kit“ (spielerisch nachhaltiges, kreislauforientiertes Projekt) an eigenen Fragestellungen erprobt werden (ausführlich nachzulesen bei Tag 3.)

Und die Wrap-up reflection ganz am Ende des Kurses mit der LEGO® SERIOUS PLAY® Methode machte deutlich, dass Lernen nicht nur Wissensvermittlung, sondern auch Erleben und Fühlen bedeutet. Bei dieser Übung steht das ernsthafte Bauen mit Legosteinen im Fokus, durch welches die Teilnehmenden verschiedene Fragen beantworten. Dabei steigerten sich die Fragen in ihrer Komplexität und schlossen mit der Fragestellung ab, was von dem Gelernten mit in die eigene berufliche Praxis übernommen werden kann.

All diese Methoden und Inhalte bündelten Ulrike und Piero von Cresce durch ihre authentische, freundliche und motivierte Art zu einem runden, spannenden und inspirierenden Programm. Hierbei orientierten sie sich stets an ihrer Unternehmensphilosophie: „We help companies, institutions and organisations in exploiting their potential. It is for them an invitation or prompt to grow.“ (https://cresce.dk)

Nachhaltigkeit in der Tiefgarage?! – Stadtführung durch Odense

Am Nachmittag werden wir ziemlich herausgefordert: Eine Stadtführung steht an. Odense-Innenstadt hat in den letzten rund 10 Jahren eine tiefgreifende Umwandlung von einer Autostadt zu einer Fahrrad-Stadt durchgemacht. Vierspurige Straßenschneisen wurden transformiert, die Autos aus der Stadt raus- bzw. runter gehalten. Fahrradstraßen und Wohnraum wurde geschaffen. Die Innenstadt ist unfassbar ruhig.

2014 wurde das Projekt „Fra Gade Til By“ (von der Straße zur Stadt), finanziert von der Kommune Odense und dem Verein Realdania, begonnen. Ziel war es, die Hauptstraße, die quer durch die Stadt verlief, zu schließen und so mehr Lebens- und Aufenthaltsqualität in der Innenstadt zu schaffen. Marianne, unser Guide und eine der an der Neugestaltung beteiligten Architekt:innen bringt uns die Neugestaltung der 53.000 qm näher.

Wir folgen ihr also über kleine Kopfsteinpflastergässchen und breite, aufwändig gestaltete Fussgängerwege. Vor über 14 Jahren, so Marianne, wurde beschlossen, den Verkehr aus der Stadt zu leiten. Dafür wurde einer der Hauptverkehrswege vom und zum Hafen, meist nur zur Durchfahrt genutzt, planiert und durch Straßenbahnschienen ersetzt. Parkplätze mussten weichen und an ihrer Stelle finden wir wenig Grünes und viel Platz zum Flanieren. Neue Häuserkomplexe fanden ihr Plätzchen und beschatten die hübschen Muster im Pflaster. Da es uns um die Nachhaltigkeit geht, blicken wir ein wenig verwundert um uns herum. Auf den Dächern der Wohnhäuser sind wohl Terrassen für die Mieter angelegt, hier gibt es keine allgemeine Begrünungspflicht. Solaranlagen? Leider kein Platz wegen der Terrassen. An Starkniederschläge wurde gedacht: das Wasser wird gut abgeleitet. Aber wie sieht es aus mit Trockenperioden? Das wurde in der Planung nicht berücksichtigt.

Neu ist auch ein großer Hotelkomplex, der sich in die Stadtmitte schmiegt und eine gute Lösung für die Lichtprobleme in Bodennähe darstellte. Immerhin gibt es hier die Vorgabe, dass die Außenmauern bis zum 1. Stock begrünt werden müssen – auch wenn diese aus Glas bestehen.

Auch die alten Teile der Stadt zeigt uns Marianne. Hier wurde viel Wert darauf gelegt, den Charme der Häuschen und die Privatsphäre der Bewohner:innen zu wahren und die Lebensqualität zu erhalten. Die neuen Häuser sind sehr modern und sicherlich schön zu bewohnen. Wie sieht es mit der sozialen Dimension von Nachhaltiger Entwicklung aus:  Sozialer Wohnbau und bezahlbare Wohnungen auch in den neuen Komplexen, wollen wir wissen. Fehlanzeige. Es wurden hochpreisige Eigentums- wie Mietwohnungen erschaffen. Immerhin wurde niemand dabei verdrängt, denn der Raum würde ja durch den Rückbau von Straßen gewonnen. Trotzdem gilt dies als Vorzeige-Nachhaltigkeitsprojekt? Ich sehe viele stutzige Gesichter in unserer Runde.

Unsere Fragen drehen sich darum, wie der Bildungsprozess in dieser Transformation gestaltet war. Wie wurden die Bürger:innen einbezogen, wie mitgenommen? Ein großer, roter Container wurde aufgestellt, in dem über 400 Workshops mit Stakeholdern und anderen Interessierten abgehalten wurden. Gleich sehe ich dies als vhsn der Zukunft vor mir: Orte, an denen Visionen und Pläne geteilt, gemeinsam entwickelt, diskutiert, verworfen, verfeinert werden. Wie wäre es, wenn die Kommune bei allen größeren Fragen lange vorab schon solche Bürger:innenwerkstätten in ihren vhsn etablieren? Wenn Ideen der Betroffenen hier früh einfließen, vielleicht gar Anstoß sein können?

Verwundert lernen wir, dass diese gemeinsamen Prozesse gar nicht Ziel des Containers war. Viel mehr wurde er als Kommunikationsmedium aufgestellt, um Akzeptanz für die Vorhaben zu erwirken.

Wir könnten uns vorstellen, dass ein Umbau der Innenstadt in dieser Größenordnung bei der Bevölkerung auf Widerstand stieß. Die Kommune hat hier gute Vorarbeit geleistet und noch vor Beginn der Baumaßnahmen den Informationsort des roten Containers eingerichtet. Dort konnten sich alle ein Bild von den Maßnahmen im Vorweg machen und Fragen stellen. Anregungen und Vorschläge zur Verbesserung wurden leider nicht oder nur in geringem Maße umgesetzt, eine richtige Bürgerbeteiligung war nicht möglich. Eine Homepage hat während der gesamten Zeit Hilfe zur Orientierung geboten und bietet auch im Nachhinein einen interessanten Einblick in die Baujahre: https://www.fragadetilby.dk/om-os

Unsere Vorstellungen sowohl von Nachhaltiger Entwicklung als auch von Bildung für Nachhaltige Entwicklung finden sich in dem Projekt und im Prozess kaum wirklich wieder. Marianne erklärt uns, dass es in Dänemark wichtig ist, wie es dem Individuum geht: Es steht im Mittelpunkt. Nur, wenn der Einzelne zufrieden ist und es ihm gut geht, kann auch die Gesellschaft funktionieren. Sich selbst zu verwirklichen und zu entfalten, seine Potenziale zu erkennen und auszuschöpfen, steht im Vordergrund. Dazu wurde hier der Raum und die Ruhe geschaffen. Die Frage, wie dies mit dem Umgang mit Geflüchteten im Land zusammenpasst, bleibt ungestellt.

Dann der wunderschöne Moment, als wir in die Tiefgarage geführt werden, die diesen neuen Stadtabschnitt komplett „untergräbt“. Hier gibt es sehr viel Platz für etwa 1.000 Autos unter – statt in – der Stadt. Tageslicht wird durch Oberlichter in den Fußgängerbereich eingelassen. Und es ist nicht nur eine Garage, sondern auch ein Tunnel, den so einige Autofahrer:innen nutzen, um die Stadt ein Stück weit zu durchqueren. Ist es gar keine wirkliche Abkehr vom Auto in der Innenstadt, sondern vor allem eine Tieferlegung des Verkehrs? Kann eine Tiefgarage Nachhaltige Entwicklung sein? Man sieht die Gehirne arbeiten. Dies alles entspricht nicht den Erwartungen, die die meisten von uns an diesen Programmpunkt hatten. Haben wir unsere Komfortzone verlassen und beginnen soeben einen vertieften Lernprozess? Oder ist dies einfach mal wieder ein typisches Nachhaltigkeitsphänomen: Alle meinen verschiedene Dinge, wenn dieser Begriff und seine vielen Verwandten fallen? Reicht es, dass die Innenstadt nun zweifelsohne lebenswerter gestaltet, ruhiger, fahrradfreundlicher ist? Was ist mit den verschiedenen Nachhaltigkeitsdimensionen, die hier nicht berührt sind?

Der Tag endet mit einer Reflektion in Kleingruppen. Die bisherigen Programmpunkte wurden als extrem spannend und bereichernd empfunden. Klar! Wir sind ja nicht hier, um Rezepte zu lernen, wie BNE funktioniert (wenn es sie gäbe, wäre diese Reise kaum nötig), sondern um uns auch durch kritische Abgrenzung inspirieren zu lassen und zu schauen, welche Aspekte von BNE/NE eben doch sichtbar waren und wurden. Spannend im Austausch zu lernen, wie konkret manche ihre Ideen für ihre vhs schon direkt verknüpft haben.

Der Abend klingt in netter, großer Runde aus.

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TAG 2, 16. Mai 2023

Kulturmaskinen

Dienstag Morgen treffen wir uns an dem selben Ort wie gestern. Heute erfahren wir viel über den Hintergrund, Ansatz und die Umsetzung von Kulturmaskinen, einem spannenden offenen Lernort, in dem die soziale Dimension von Nachhaltigkeit im Fokus steht.

Podcast Kulturmaskinen 

Von und mit:
Nadine Cinar, vhs Geesthacht
Miriam Otto, vhs Heide
Evelyn Tegeler, vhs Brunsbüttel
Beate Lorkowski, vhs Halstenbek

 

 

Fotoeindrücke aus dem offenen Lernort „Kulturmaskinen“

Töpferei

Textilwerkstatt

Medienwerkstatt

 

 

Besuch bei University College Lillebælt (UCL) – Odense

Am Nachmittag geht es zu UCL, einem großen Akteur der beruflichen Aus- und Weiterbildung in Odense. UCL ist vergleichbar mit dem Berufskolleg und der Fachhochschule in Deutschland und hat fünf Standorte in der Region Syddanmark.  In rund 40 Ausbildungs- und Studiengängen werden zurzeit rund 10.500 Vollzeitstudent:innen ausgebildet, sowie rund 15.000 Kursteilnehmer:innen und Teilzeitstudent:innen in 35 Fortbildungsangeboten und Zertifikatslehrgängen (Akademiuddannelse).

Ca. 80 % der Studiengänge finden am Hauptstandort in Odense statt. Zuerst erhielt unsere Gruppe eine kurze Führung durch das Gebäude und die verschiedenen Fachbereiche.

UCL bietet Ausbildungen und Studiengänge in den fünf Bereichen an:

a) Business und digitale Entwicklung

b) Bau- und Ingenieurswesen

c) Leitung und Verwaltung

d) Erziehungswissenschaften und Erwachsenenbildung

e) Gesundheits- und Sozialwesen

Themenschwerpunkt des Besuchs war die Implementierung von ESD/BNE in die akademischen Fortbildungsgänge und Aufbaustudiengänge („Akademiuddannelse“) in den Fachbereichen Leitung, Administration und Transport & Logistik.

Die Studienleitung Marie Toft stellte die fünf neuen Ausbildungsgänge zum Thema BNE vor, die erst seit Februar 2023 angeboten werden:

3 Akademieausbildungen: Transport & Logistik; Leadership; Sustainability and green trasition

2 Bachelorstudiengänge: Nachhaltige Betriebswirtschaftslehre; Leadership

Das Gespräch und der Vortrag von Marie Toft zeigten schnell, welche Startschwierigkeiten auch und gerade eine große Bildungseinrichtung wie UCL hat, BNE in ihr Bildungsprogramm zu implementieren.

So kollidieren Inhalte und Ziele der UNO-Ziele für nachhaltige Entwicklung mit den traditionellen Werten und Inhalten des klassischen Ausbildungssystems und der auf Effizienz und Wertsteigerung ausgerichteten traditionelle Volks- und Betriebswirtschaftslehre.

Marie Toft zeigte beispielhaft auf, wie schwierig es auch am UCL war, Kolleg*innen von der Sinnhaftigkeit des Paradigmenwechsels in der Ausbildung und der Fortentwicklung der Bildungsprogramme im Sinne von BNE zu überzeugen, da viele der Lehrenden erstmal ihre eigenen, lange bewährten Meinungen und Lehrsätze über Bord werfen mussten.

Sie stellte dazu folgende fünf Schritte vor, welche die Studierenden (oder auch Mitarbeiter:innen) in den Lehrgängen durchlaufen:

  1. Auch bei Lehrenden und Studierenden muss zunächst mal ein Grundverständnis für den Bedarf einer Nachhaltigkeitsstrategie im Betrieb geweckt werden.
  2. Alle Lehrgangsteilnehmer:innen müssen ein gemeinsames Verständnis der Begrifflichkeiten zum Thema Nachhaltigkeit entwickeln,
  3. die TN müssen ihre eigenen Grundsätze aufgrund dieses erworbenen Verständnisses reflektieren können: „Lebe und arbeite ich selber nach diesen Grundsätzen?“ „Warum ist dies wichtig für meine Organisation?“
  4. Es muss eine gemeinsame Sprache und Kommunikation im Unternehmen erarbeitet werden, damit alle Mitarbeiter:innen „über dieselben Dinge sprechen“
  5. Die so erarbeiteten Grundsätze müssen in dem Betrieb /Institution implementiert werden.

Hilfreich war in diesem Kontext ein Exkurs zur Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) der EU, die seit 05. Januar 2023 Wirtschaftsunternehmen, Finanzsektor und Dienstleistungen verstärkt in die Pflicht nimmt, ihre Nachhaltigkeitsziele zu definieren und regelmäßig einen Nachhaltigkeitsbericht an die EU zu melden. Hierin sieht UCL einen klares Signal, Unternehmen, aber auch Studierende von der Notwendigkeit eines Paradigmenwechsels im Sinne des „Green Deals“ in der Wirtschaft zu überzeugen, der in der EU bis 2050 eine nachhaltige Kreislaufwirtschaft in Gang setzen soll.

Erste Schritte sind dazu in Dänemark erfolgt, auch wenn in der abschließende Reflexion der Umfang der von Marie Toft dargestellten Entwicklung etwas relativiert wurde:

UCL hat die unterschiedlichen neuen Lehrpläne zur Nachhaltigkeit gemeinsam mit ca. 6 anderen Fachhochschulen und Berufskollegs in Dänemark entwickelt. Eine Anerkennung der Curricula durch das dänische Unterrichtsministerium erfolgte erst im Winter 2022/23, so dass im Februar 2023 erste Module der Akademielehrgänge zur Nachhaltigkeit umgesetzt werden konnten. Am Lehrgansmodul „Sustainable Business understanding“ nahem sechs Teilzeitstudierende teil, am Modul „ Leading sustainable development“ zehn Teilnehmer*innen.

Ein weiterer Indikator, dass auch in Dänemark die Umsetzung im akademischen Bildungswesen noch in den Anfängen steckt, ist auch die Tatsache, dass von den rund 1.400 Mitarbeiter*innen von UCL, Marie Toft die alleinige Hauptverantwortliche für das Fortbildungsprogramm zur Nachhaltigkeit ist. Unterstützung erhält sie durch wenige Teilzeitlehrkräfte und externe Fachreferent:innen.

Bemerkenswert sind auch aufgrund dieser Personalsituation die Aktivitäten UCL’s zum Branding der neuen Lehrgänge: so beteiligt sich UCL mit Infoständen am „Klimafolkemøde“ (Klimatreffen) im August, zu dem in Middelfart auf Fünen (ebenfalls ein UCL Standort) rund 30.000  Teilnehmer*innen erwartet werden und an der größten dänischen Fachmesse zum Thema Nachhaltigkeit „Reboot“ in Odense, an der sich rund 3.000-4.00 Personen als Fachpublikum beteiligen. 

Die abschließende Diskussion der 13 Kursteilnehmen und Reflexionsrunde ergab zum Teil sehr unterschiedliche Vorkenntnisse zum Stand von BNE in den verschiedenen entsendenden Einrichtungen. Viele Teilnehmende fühlen sich, ähnlich wie Marie Toft es auch aus ihrer Einrichtung schilderte, teilweise überfordert und hilflos, da das Thema Nachhaltigkeit im Sinne der UN-Ziele enorm komplex und groß ist.

Klar wurde aber für alle Teilnehmende, dass die Volkshochschulen  ein wichtiger Akteur auf der lokalen Ebene sein können. Weniger, da sie keine konkreten Studiengänge anbieten und eine Implementierung in die berufliche Weiterbildung extrem anspruchsvoll ist, sondern vielmehr weil die Volkshochschulen einen klaren öffentlichen Auftrag zur politischen, sozialen und kulturellen Bildung haben. Hier wurde für die meisten Teilnehmenden klar, dass die VHS’en ein wichtiger Akteur sind, um die Zivilgesellschaft von der Notwendigkeit eines nachhaltigen Umbaus unserer Bildungsziele und unseres Handelns zu sensibilisieren.

Die oben geschilderten Entwicklungs- und Marketingschritte waren hier nützliche und hilfreiche Inspiration.

Danach geht es gemeinsam zum Abendessen. Wahnsinn! Ein altes Packhaus am Hafen, in dem Street Food aus allen möglichen Ländern verkauft wird. Die Atmosphäre auf diesem Markt ist umwerfend. „And the concept and realization is so simple, it almost hurts”, wie jemand der Gruppe so wunderbar formuliert.

Guter Dinge und gestärkt geht es in den Abendstunden noch einmal zu Kulturmaskinen, weil zu dieser Tageszeit die Medienwerkstatt geöffnet ist.

Tag 3, 17. Mai 2023

Plötzlich ist schon der letzte Tag da. In Co-Working Räumen treffen wir uns und bekommen von den enthusiastischen Gründern von Regndans ihre Überlegungen und ihr Kit vorgestellt, das wir auch testen dürfen.

Regndans und das Circular Design Kit

„Regndans“ ist eine Firma, die vor fünf Jahren von den ehemaligen Digital Consultants Jonas und Mark gegründet wurde. Beide waren aber mit ihrer Arbeit nicht so recht glücklich. Ihr berufliches Tun bewerteten sie als nicht nachhaltig, d.h. ihre Kunden und Auftraggeber haben einfach nur das gemacht und umgesetzt, was sie Ihnen vorgeschlagen hatten. Aus dem Wunsch heraus „Real World Problems“ zu lösen, haben sie die Firma gegründet und das „Circular Design Kit“ entworfen. Das Motto der Firmeninhaber lautet: Mehr geben als nehmen!

Das „Circular Design Kit“ kommt  in großen Räumen, z.B. in Sporthallen zum Einsatz. An diesem Ort, dem dann „Circular Design Camp“ , soll nun an insgesamt drei Tagen ein konkretes Problem (Challenge) gelöst werden, das von einer Firma oder Organisation gestellt wurde.

Die Methode verbindet den klassischen Ansatz des Design Thinkings mit dem Gedanken der Kreislaufwirtschaft. Die Teilnehmer sollen anstatt von linearen Lösungsansätzen in „nachhaltigen“ Entwicklungskreisen denken.

Dabei setzen sich je 5-9 Teilnehmende an eine Art kreisförmiges Spielbrett. Während eines Durchlaufs des Kreises soll gemeinsam aus einer Aufgabenstellung, über die Identifikation der eigentlichen Problematik, ersten Ideen, Fokus auf einen Ansatz und Ausarbeitung eine Lösung entstehen. Reflexion und Anpassung stehen im Vordergrund. Die Lösung soll nachhaltig im Sinne einer Kreislaufwirtschaft sein. Das heißt, bei Bedarf kann sie Ausgangspunkt einer weiteren Runde sein.

Am Anfang steht dort ein detailliertes Briefing mit Hintergrundinformationen zu der Aufgabe. Häufig wurde die Methode bisher mit Schülergruppen und jungen Menschen (mind. 15 Jahre alt) eingesetzt, die mit Hilfe von Personenkarten., Arbeitsblättern und Post-its, auf denen man kurz und knapp schreiben soll, in zehn Schritten zum Ziel kommen sollen.

Die Gruppe ist also im Gegensatz zum bekannten Design Thinking eher gleichförmig. Den Part der Experten mit ihren unterschiedlichen Blickwinkeln übernehmen hier die Spielkarten. Sie unterteilen den Durchlauf in Etappenaufgaben, z.B. Brainstorming, Prioritätensetzung, Erstellen von Personas, Stakeholder-Analysen und ähnliches. Dadurch wird die Methode auch in gleichförmigen Gruppen einsetzbar. Die Spielkarten ersetzen die sonst notwendige Moderation der Einzelgruppen und ermöglichen es, mehrere Gruppen parallel auf die Reise zu schicken. Eine dieser Phasen ist auf 10 Minuten beschränkt und soll Ergebnisse und Einigung durch Zeitdruck ermöglichen. In Dänemark wird dies auch als Eventkonzept für 3 Tage eingesetzt: Am ersten Tag stellen sich Firmen mit ihren Herausforderungen und Profilen dar.

Die Gruppen werden gebildet und in die Methodik eingeführt. Anschließend durchlaufen sie eigenständig mindestens einmal den Kreislauf der Design Thinking- Methode. Das Ergebnis einer Sitzung wird per Video dokumentiert und vorgestellt und soll möglichst schnell verwirklicht werden (rapid prototyping), wobei die Schöpferinnen und Schöpfer keine Patentrechte geltend machen können. Am zweiten Tag bereiten die Gruppen einen Pitch/eine Präsentation vor, die am dritten Tag auf einer Bühne vor dem Plenum präsentiert wird. Die teilnehmenden Firmen sehen ihre Lösungsansätze, eine Jury bestimmt Sieger und Schüler bekommen Preise und/oder Kontakte und Eindrücke der beteiligten Firmen. Insofern dient das Konzept zusätzlich als eine Art Firmenmesse für den Nachwuchs.

Das „Spielprinzip“ (das circular design kit) an sich erleichtert einerseits die Umsetzung, stellt aber andererseits auch sicher, dass es zu Ergebnissen kommt und ein permanenter, abwechslungsreicher „Spielfluss“ aufrechterhalten wird, der dauerhaft für Motivation sorgt.

Dann ist schon die letzte Einheit des Kurses angebrochen. Wir reflektieren, tragen zusammen und schauen, was wir erlebt haben, was wir mitnehmen möchten, wie es weitergehen möge. Und plötzlich ist der Kurs zuende, Zeit, auseinander zu gehen.

Gefüllt geht es nach Hause, gespannt, was aus dem Erlebten wächst, entsteht und entspringt.

 

Dänemark: Danish Adult Education Association

von M. K.

Montag: 24.06.2019

Anreise mit dem Zug von Flensburg nach Kopenhagen. Gemeinsam mit dem Verbandsdirektor des VHS Landesverbandes SH, Karsten Schneider starteten wir unsere Bildungsreise ins Nachbarland. Ähnlich wie bei uns werden Zugtickets und Reservierungen im Wesentlichen online durchgeführt. Bereits hierbei fällt die Affinität der Skandinavier zu Bargeldlosen Zahlungen deutlich auf. Auch ein Eis oder ein Coffee to go wird hier mit Karte bezahlt.

Am Nachmittag, nachdem wir unsere Hotels bezogen haben gönnen wir uns eine Erkundungstour zum Den Sorte Diamant („der schwarze Diamant“), einem beeindruckenden Anbau der Dänischen Königlichen Bibliothek in der Innenstadt von Kopenhagen. Der Name deutet auf die schwarze, sich neigende Fassade aus Granit hin. Das siebenstöckige Gebäude beinhaltet unterschiedliche Funktionen wie Bibliothek, Konferenz- und Lesesäle, Konzertsaal, Ausstellungsräume, aber auch Café und Buchladen und lädt wahrlich zum Verweilen ein. Insgesamt bewahrt das Haus die größte Büchersammlung in Nordeuropa mit 4,8 Millionen Werken auf!

Die Kosten für das von 1995 bis 1999 gebaute Haus beliefen sich auf seinerzeit rund 60 Millionen Euro.

Auch wenn dieses Gebäude seinerzeit nicht als “Dritter Ort” im eigentlichen Sinn entwickelt wurde, erfüllt der schwarze Riese jedoch eine ganze Reihe von Kriterien.

Wenn man davon ausgeht, dass ein Dritter Ort zunächst nichts mit Lernen zu tun hat. Nach dem ehemaligen Marketingleiter der Hamburger Volkshochschule, ist es ein Ort: “der nicht zuhause ist und nicht Arbeitsort oder Schule. Man fühlt sich hier wohl, schaut gerne mal vorbei, kann bleiben und wieder gehen, Menschen treffen oder auch für sich bleiben. Es gibt etwas zu essen und zu trinken. Gespräche können geführt werden.”

Es geht um einen ermöglichungsraum, welcher generell nicht kommerziell sein darf. Er verspielt sonst eine Chance als frei zugänglicher Raum seine Wirkung zu entfalten (Quelle: www.dritte-orte.de )

Video: https://youtu.be/pdZT1cxkaDk

Dienstag, 25.06.2019
Gemeinsam mit Karsten Schneider Gespräche mit Vertretern der dänischen Erwachsenenbildung

Die DEAE Danish Adult Education Association (www.deae.dk) vertritt Dachorganisationen 34 Mitgliedseinrichtungen aus dem Bereich der non-formalen Erwachsenenbildung in Dänemark. Wir trafen uns mit dem Leiter Per Paludan Hansen, sowie dem Verterter der FORA, Vereine und Tageshochschulen (www.fora.dk) mit ca. 150 Mitgliedern, Bernhard Trier Frederiksen in den Räumen der LOF, eine dänische Institution die 60 Abendschulen landesweit betreibt (www.lof.dk) Vesterbrogade 35, 2 tv, 1620 København

Zeit: 9 bis 11:30 Uhr

Wir haben uns in erster Linie mit den verschiedenen Systemen von Erwachsenbildung ausgetauscht. Das Thema Digitalisierung hat insgesamt einen etwas höheren Stellenwert. Letztlich waren jedoch flächendeckende Konzepte in Dänemark mit sehr viel mehr Geld (Regel- und Projektförderung) ausgestattet.

Per Paludan Hansen

Im zweiten Gespräch trafen wir Knud Erik Therkelsen, Leiter des Graenseforeningen Grenzverband https://www.graenseforeningen.dk/ in der Peder Skrams Gade 5, 1054 København

Der dänischen Grænseforeningen/Grenzverein versteht sich vor allem als Vertretung der Minderheiten. Hier steht zurzeit alles im Zeichen der Feierlichkeiten Dänemark/Deutschland 2020. 100 Jahre Grenzregion kulturelles Freundschaftsjahr. Auch im Bereich der Zusammenarbeit den dänischen Bildungsstätten, die bereits Mitglied im VHS Landesverband sind konnte Knud Erik Therkelsen leider wenig helfen.

Zeit: 12 bis 14 Uhr

Titelbilder des Grenzvereins Magazins

Mittwoch: 26.06.2019
Jahrestagung der EAEA – European Association for the Education of Adults in Kopenhagen

In diesem Jahr findet die jährlichen Veranstaltungen der EAEA am 26. und 27. Juni in Zusammenarbeit mit dem Dänischen Erwachsenenbildungsverband (DAEA) in Kopenhagen statt.

Im Umfeld der Konferenz ging es uns vor allem um Vernetzung zu den jeweiligen Stellen um anschließend für uns abzuwiegen, welche Bereiche, Inhalte und Ziele für unsere Arbeit übertragbar sind sich zu vernetzen und Kontakte über die Plattform der EAEA zu entwickeln und uns (den Landesverband der Volkshochschulen) als neues Mitglied vorzustellen.

Insgesamt habe ich eine ganze Reihe von neuen Anregungen für Vernetzungen innerhalb von Europa erhalten. Auch unabhängig vom Thema Digitalisierung.

 

Donnerstag: 26.06.2019
Rückreise zum Timmendorfer Strand

Auf Grundtvigs Spuren: EAEA Annual Conference, Kopenhagen

von Karsten Schneider

Kopenhagen, 24.06. bis 27.06.2019

Montag, 24.06.2019

Die Mitgliederversammlung und Jahrestagung der European Association for the Education of Adults (EAEA) in Kopenhagen nehme ich zum Anlass, um in der letzten Juniwoche mit Vertretern der dänischen Erwachsenenbildung über Digitalisierung und andere Themen zu reden.

Mit dem Zug reise ich von Kiel via Flensburg und Fredericia nach København. Eines fällt unterwegs auf: Der mobile Internetempfang ist deutlich besser als bei Zugreisen durch Deutschland. Der individuelle Eindruck lässt sich durch Zahlen erhärten. In Dänemark liegt die 4G-Netzabdeckung laut Statista.com bei 80,5%, in Deutschland hingegen nur bei 65,7%.

Die späten Nachmittagsstunden nutzen wir, um Kopenhagen zu erkundigen. Dabei schauen wir uns auch die Dänische Königliche Bibliothek an. Ein dritter Ort ist sie in unseren Augen zwar nicht – dazu ist die Nutzung zu einseitig auf Ausleihe und Lesesaal ausgerichtet. Ein eindrucksvolles Gebäude ist der kubische Anbau „Den Sorte Diamant“ (der Schwarze Diamant) aus poliertem Granit, der elegant an den historischen Teil anschließt und einen großartigen Blick auf den Innenhafen und Christianshavn frei gibt, aber allemal.

Blick aus „Den Sorte Diamant“ auf den Innenhafen und Christianshavn

Dienstag, 25.06.2019

Kopenhagen scheint an diesem Tag am Mittelmeer zu liegen. Um kurz nach acht zeigt das Thermometer bereits deutlich über 20 Grad an. Schon der kurze Weg vom Hotel in die Vesterbrogade zu LOF, dem Verband von 60 dänischen Abendschulen, ist schweißtreibend.

Nyhavn, Kopenhagen

In Gesprächen mit Vertretern der dänischen Erwachsenenbildung wollen wir mehr über das Weiterbildungssystem im Nachbarland erfahren und uns insbesondere über Ansätze im Bereich Digitalisierung austauschen. Beide Gespräche habe ich mit Per Paludan Hansen, dem Präsidenten der EAEA und Vorsitzenden des dänischen Erwachsenenbildungsverband DEAE, angebahnt. Vielen Dank für die Unterstützung!

Zunächst sprechen wir mit Per Paludan Hansen selber, im Hauptamt Geschäftsführer von LOF, und mit Bernhard Trier Frederiksen, Geschäftsführer von FORA. Wir erfahren, dass LOF (www.lof.dk ) und FORA (www.fora.dk ) zwei von fünf Dachorganisationen von Weiterbildungseinrichtungen in Kommunen sind. Vier davon haben eine enge Verbindung zu jeweils einer dänischen Partei, die fünfte ist politisch unabhängig. Alle fünf sind in der Danish Adult Education Association (DAEA, www.daea.dk ) organisiert, gemeinsam mit 31 weiteren landesweiten Dachorganisationen. Die dänische Erwachsenenbildung scheint vielfältiger zu sein als die deutsche. Das Angebotsspektrum der Mitgliedseinrichtungen von LOF und FORA mit Kursen in den Bereichen IT und EDV, Sprache, Gesundheitsbildung, Bewegung und kreativen Themen sowie Vorträgen zu historischen, politischen und kulturellen Themen ist dem Angebot deutscher Volkshochschulen sehr ähnlich.

Die fünf Dachorganisationen haben sich vor zwei Jahren gemeinsam auf den Weg gemacht, eine gemeinsame Administrationssoftware zu entwickeln. Dieser Prozess steht nun kurz vor dem Abschluss. Die größte Herausforderung war dabei offenbar, die unterschiedlichen Interessen unter einen Hut zu bekommen und gleichzeitig die Software hinreichend einfach zu halten, dass auch kleine Einrichtungen mit halbtags arbeiteten Leitungskräften diese gut einsetzen können. Man ist zuversichtlich, dass dies gelungen ist.

Auch im Online-Marketing arbeiten die Dachorganisationen zusammen, z.B. bei der Produktion von Werbefilmen zu verschiedenen Kursangeboten. Facebook ist für die meisten Mitgliedseinrichtungen ein wichtiger Kommunikationskanal. Das klassische gedruckte Programmheft wurde hingegen flächendeckend eingestellt. Auch ältere Teilnehmer*innen in Dänemark, so Per und Bernhard, erwarten es, ihre Weiterbildungsangebote online zu finden und zu buchen. Lediglich ausgewählte Angebotsformen werden noch zusätzlich über Flyer beworben. Der Grund für diese Entwicklung ist neben der Erwartung der Kunden vor allem auch die Entwicklung im Postbereich. Die dänische Post hat mit der schwedischen fusioniert. Unseren Gesprächspartnern zufolge ist der Service seitdem bescheiden und die Kosten sind hoch, was die Entwicklung hin zum Online-Marketing deutlich beschleunigt hat. Als ich später am Tag eine Postkarte für die Familie kaufe und 30 Kronen (4 Euro) für Briefmarken hinlege, kann ich die Kritik an hohen Kosten nachvollziehen.

Nachdem wir einige Zeit über Kursadministration und Marketing gesprochen haben, fragen wir nach digitalen Elementen in den Kursangeboten und der dafür vorhandenen Infrastruktur in den Mitgliedseinrichtungen. Für uns völlig überraschend, ist das bei LOF und FORA offenbar kein Thema. Bernhard betont, dass die Präsenz bei den Mitgliedseinrichtungen der unique selling point sei und die Teilnehmer*innen ein Lernen in Begegnung suchten. Hinsichtlich der zentralen Bedeutung der Präsenz stimmen wir auch aus Sicht der deutschen Volkshochschulen mit unseren Gesprächspartnern überein. Die dort offenbar daraus gezogene Konsequenz, digitale Erweiterungen der Angebote überhaupt nicht zu verfolgen, scheint mir jedoch im Hinblick auf eine digitale Gesellschaft keine erfolgsversprechende Strategie zu sein. Unserer Vorstellung der Strategie der Erweiterten Lernwelten, der vhs.cloud und des vhs-Lernportals folgen Per und Bernhard zwar aufmerksam, können aber über keinerlei vergleichbare Entwicklungen in ihren Reihen berichten. Immerhin, denke ich am Ende des Gesprächs, ein Aspekt der digitalen Transformation, bei dem wir in Deutschland weiter sind.

Wir machen uns durch die Hitze des späten Vormittags über die Strøget, die 1.100 m lange Fußgängerzone Kopenhagens, auf in die Peder Skrams Gade zu unserem nächsten Gesprächstermin bei Knud Erik Therkelsen, dem Geschäftsführer von Grænseforeningen (https://www.graenseforeningen.dk/). Der Grenzverband hat zum Ziel, die dänische Einheit in der Grenzregion und insbesondere die dänische Minderheit in Südschleswig zu unterstützen. Knud hat einige Jahre eine Heimvolkshochschule in Åbenrå geleitet und erläutert mit begeistertem Redefluss, teils in Englisch, teil in Deutsch, die Arbeit von Grænseforeningen. Wir erfahren einiges über die Planung des Jubiläumsjahres 2020, an dem das 100jährige Jubiläum des aktuellen Grenzverlaufs zum Anlass für ein „Dänisch-Deutsches Kulturelles Freundschaftsjahr“ genutzt werden soll. Aus diesem Gespräch ergeben sich einige potenzielle Anknüpfungspunkte für verstärkte grenzüberschreitende Zusammenarbeit.

Das Magazin Grænsen von Grænseforeningen

Mittwoch, 26.06.2019

Auf Einladung des Dänischen Erwachsenenbildungsverbandes findet die Mitgliederversammlung der European Association for the Education of Adults (www.eaea.org) dieses Jahr in Kopenhagen statt. Wie an dänischen Volkshochschulen üblich, beginnt die Veranstaltung mit gemeinsamem Singen. Aus dem Liederbuch „Højskolesangbogen“ der Folkehøjskolernes Forening wird zunächst „Morning has broken“ und dann „Svante‘s happy day“, die englische Übersetzung eines dänischen Liedes gesungen. „Life’s not so bad for it’s all we have got. And the coffee’s almost hot“, so die Schlusszeile. Zum Glück stimmt letzteres nicht. Die dänischen Gastgeber haben im Vartov/Grundtvigsk Forum (www.grundtvig.dk/vartov/ ) für eine hervorragenden Atmosphäre und natürlich auch für heißen Kaffee gesorgt.

Der Tagungsort atmet Volkshochschulgeschichte. Im Innenhof, direkt vor dem Tagungsbüro, stehen wir einer überlebensgroßen Statue des knienden Nikolai Frederik Severin Grundtvig gegenüber. Grundtvig war in der Kirche von Vartov (1839-1872) als Priester tätig. Heute befindet sich hier das Grundtvigsk Forum, die Grundtvig Akademie, die Grundtvig Bibliothek und das Grundtvig Zentrum. Kein schlechter Ort für das diesjährige Treffen der europäischen Erwachsenenbildung, deren Dachverband die EAEA ist.

Der kniende Grundtvig mit zwei Vertretern der Volkshochschulen aus dem 21. Jahrhundert

Die Tagesordnung sieht auch auf europäischer Ebene die typischen Punkte einer Mitgliederversammlung wie Jahresbericht, Jahresabschluss, Entlastung des Vorstandes und Wahlen vor. Auch die Anträge auf Mitgliedschaft werden beschlossen. Und so wird an diesem Tag auch unser Landesverband als assoziiertes Mitglied in die EAEA aufgenommen.

EAEA-Generalsekretärin Gina Ebner und der neu gewählte EAEA-Präsident Uwe Gartenschläger (dvv international) mit Michael Kölln und Karsten Schneider, vom neuen EAEA-Mitglied Landesverband der Volkshochschulen Schleswig-Holsteins e.V.

Auch auf europäischer Ebene kommt ein Jahresbericht im Jahr 2019 nicht um das Thema Digitalisierung herum. Besonders hervorzuheben ist das Projekt „Upskilling Pathways in AEPRO“ (https://eaea.org/project/up-aepro/). Per E-Learning lernen Erwachsenenbildner aus ganz Europa in diesem Projekt etwas über europäische Entwicklungen in der Erwachsenenbildung. Ein besonderer Schwerpunkt wird dabei auf die „Upskilling Pathways Initiative“ der Europäischen Kommission gelegt. Die Weiterbildungspfade sollen Erwachsene dabei unterstützen, ein Mindestniveau an Lese-, Schreib-, Rechen- und digitalen Kompetenzen und/oder ein breiteres Spektrum von Kenntnissen und Fertigkeiten zu erwerben. Das Konzept umfasst drei Schritte: Kompetenzbewertung, Lernangebot sowie Validierung und Anerkennung. Die Umsetzung der Weiterbildungspfade fördert die EU u.a. durch den Europäischen Sozialfonds (ESF), durch Erasmus+, durch den Europäischen Fonds für regionale Entwicklung (EFRE) und durch den Europäischen Landwirtschaftsfonds für die Entwicklung des ländlichen Raumes (ELER). Zusätzlich zu den Inhalten bekommen die Teilnehmer/-innen von UpAEPRO digitale Tools vermittelt und werden daran herangeführt, selber onlinegestützte Lernangebote zu entwickeln.

EAEA Mitgliederversammlungen sehen auch einen Bericht über relevante politische Entwicklungen aus dem in der Europäischen Kommission für die Erwachsenenbildung zuständigen Directorate-General for Employment, Social Affairs and Inclusion vor. Anna Nikowska verweist hier u.a. auf ein demnächst kommendes neues Programm „Digital Europe Programme“, das ein Budget für die Entwicklung von digital skills vorsieht. Details seien aktuell jedoch noch nicht bekannt, zumal der Haushalt der Kommission ihrer Einschätzung zufolge erst im kommenden Jahr feststehen wird.

Am Nachmittag findet eine Reihe von Workshops statt, u.a. zum „Manifesto for Adult Learning in the 21st century: The Power and Joy of Learning“. Mit dem 2019 veröffentlichten aktualisierten Manifest ruft die EAEA dazu auf, „ein Lernendes Europa zu schaffen: ein Europa, in dem alle notwendigen Kenntnisse, Kompetenzen und Fähigkeiten vorhanden sind, um die Zukunft auf positive Weise zu bewältigen“. Unter den im Einzelnen aufgeführten Herausforderungen und Lösungsansätzen, die Erwachsenenbildung adressiert, findet sich auch der Bereich „Digitalisierung“: Die Chancen, Herausforderungen und den Einfluss von Digitalisierung auf Arbeit und Lernen zu verstehen, sei wichtig für alle Erwachsene im Prozess des Lebenslangen Lernens. Das Manifest verweist auf die drohende digitale Spaltung der Gesellschaft und die Bedeutung von Erwachsenenbildung in diesem Zusammenhang. Erwachsenenbildner müssten sich die neuen technischen Möglichkeiten für Lehren und Lernen zu Nutze machen. Erwachsenenbildung vermittelt die erforderlichen life skills, hat aber auch Einfluss auf die zukünftige Entwicklung der Digitalisierung.

Bei der abendlichen Verleihung des Grundtvig-Preises an ausgewählte Weiterbildungsträger steht die Vermittlung von life skills im Zentrum. Einer der Preisträger ist das Projektkonsertium, das die Webseite www.openitup.eu entwickelt hat, ein E-Learning-Angebot im Bereich Literalisierung.

Donnerstag, 27.06.2019

Die Jahrestagung der EAEA zum Thema „Life Skills and participation“ wird erneut von einem Vortrag aus der Europäischen Kommission eingeleitet. Anna Nikowska stellt die aktuellsten Zahlen des Adult Education Surveys (2016) sowie des Labour Force Survey (2018) vor. Beide Erfassungssysteme betrachten je einen zentralen Benchmark für die Erwachsenenbildung. Der Labour Force Survey erfasst die nonformale und formale Weiterbildungsbeteiligung in den letzten 4 Wochen. Die in der EU abgestimmte Zielmarke von 15% erreichen 2018 lediglich 8 Mitgliedsländer. Deutschland legt im Mittelfeld aller Länder, deutlich unterhalb dieser Marke. Der Adult education survey 2016 betrachtet u.a. die Weiterbildungsbeteiligung in den letzten 12 Monaten. Die für diesen Betrachtungszeitraum festgelegte Zielmarke haben 2016 deutlich mehr Länder erreicht, darunter Deutschland mit 50%. Laut Adult Education Survey wurden 2016 bereits 21,7 % der formalen Erwachsenenbildungsangebote als E-Learning wahrgenommen. Im Bereich der nonformalen Bildung waren es 13,5%. Vermutlich werden die Zahlen der nächsten Erhebungsrunde noch höhere Anteile ausweisen.

Abschließend verweist Anna Nikowska noch auf den aktuellen Digital economy and society index DESI (https://ec.europa.eu/digital-single-market/en/desi) Der DESI erfasst die digitale Wettbewerbsfähigkeit in fünf Dimensionen, darunter neben der Breitbandkonnektivität auch Aspekte wie digitale Kompetenzen, die Internetnutzung und die Digitalisierung der Wirtschaft. Im Gesamtindex liegt Deutschland knapp über dem europaweiten Mittelwert (https://ec.europa.eu/newsroom/dae/document.cfm?doc_id=59991 ). Mindestens grundlegende digitale Kompetenzen weisen in Deutschland 68% (Rang 7) der Einwohner auf, in der gesamten EU 57%. Über mehr als grundlegende digitale Kompetenzen verfügen in Deutschland 37% (Rang 8), in der EU 31%. Bei den grundlegenden digitalen Kompetenzen ganz vorne liegen die Niederlande, Schweden und Luxemburg.

 

Lene Rachel Andersen stellt anschließend zentrale Inhalte ihres gemeinsam mit Tomas Björkman verfassten Bestsellers „The Nordic Secret“ (https://www.nordicsecret.org/) vor. Die Autoren befassen sich darin damit, wie Dänemark, Norwegen und Schweden sich von armen Agrargesellschaften hin zu wohlhabenden industrialisierten Demokratien entwickelt haben. Das Schlüsselkonzept zur Erklärung dieser Entwicklung ist den Autoren zufolge das deutsche Konzept „Bildung“. In ihrem Vortrag schlägt sie einen Bogen von Schiller zu Rosa Parks. Schillers Buch „Über die ästhetische Erziehung des Menschen“ habe Grundtvigs Konzept der Volksbildung beeinflusst. Schiller betont, „es gibt keinen anderen Weg, den sinnlichen Menschen vernünftig zu machen, als dass man denselben zuvor ästhetisch macht“. Erst über die sinnliche Wahrnehmung entwickelt der Mensch demzufolge Sprache und damit „Vernunft“ und erst durch „Vernunft“ ist es dem Menschen möglich „sinnvoll“ und damit „moralisch“ zu handeln. Rosa Parks wiederum habe sich in einer Volkshochschule in Tennessee weitergebildet, die nach dem dänischen Modell gegründet worden sei. Ihr Protest gegen die Rassentrennung in Bussen sei in dieser Bildungserfahrung mit verankert. Somit habe letztlich die dänischen Volksbildungsidee auch die civil right movement in den USA beeinflusst. Der Vortrag macht mich neugierig auf das Buch.

Lene Rachel Andersen bei Ihrem Vortrag zu „The Nordic Secret“

Über das Konzept der Life skills berichten Alex Stevenson von Learning and Work Institute, UK, und Trine Bendix Knudsen sowie Stine Christensen, DEAE, Dänemark. Gemeinsam mit weiteren europäischen Partnern wurde ein Rahmenkonzept sowie ein Citizens‘ Curriculum entwickelt. Life skills sind demzufolge mit gesundheitsbezogenen, finanziellen, digitalen und zivilgesellschaftlichen Fähigkeiten verbunden. Die enge Verwandtschaft zum deutschen Konzept der lebensweltorientierten Grundbildung ist offensichtlich. In beiden Konzepten geht es um die Relevanz von Kompetenzen im jeweiligen individuellen Kontext. Aus dieser Relevanz lässt sich die für erfolgreiche Lernprozesse so wichtige intrinsische Motivation ableiten. Somit geben beide Konzepte wertvolle Hinweise für die Gestaltung ergebnisorientierter Lernangebote.

Was mir der Aufenthalt in Kopenhagen gebracht hat

Für mich hat sich die Reise nach Kopenhagen sehr gelohnt. Ich konnte einen Einblick in das dänische System der Weiterbildung gewinnen. Die Erkenntnis, dass die digitale Transformation der Weiterbildung im Ursprungsland der Volkshochschulen nur in Teilen weiter fortgeschritten ist, hinsichtlich der Angebote aber weniger weit entwickelt, ist irgendwie beruhigend.

Meine Netzwerke auf europäischer Ebene konnte ich wieder ein wenig weiterspinnen. Wertvoll waren vor allem die Gespräche mit den Kolleginnen der EAEA über mögliche gemeinsame Projekte. Wie jedes Mal konnten nicht nur vertraute Kontakte vertieft werden, sondern auch zahlreiche neue Kontakte zu Erwachsenenbildnern u.a. aus Spanien, Frankreich, Belgien, Italien, Finnland, Weißrussland, Irland geknüpft werden.

Inhaltlich habe ich neben Einblicken in Programme der Europäischen Kommission vor allem das Konzept der Life Skills mitgenommen, das mit dem deutschen Lebenswelt-Konzept gut verbunden werden kann. Und die Verbindung zwischen Schiller und Grundtvig war mir neu – ein schönes verbindendes Element zwischen dänischer und deutscher Erwachsenenbildung, das den Ausbau der Kooperation mit dänischen Partnern weiter beflügeln wird.

Nikolai Frederik Severin Grundtvig im Vartov, Kopenhagen

Hospitation an der „Hojskole på Kalø“ Dänemark

von K. H.

Montag, 25. März 2019

Nach nur 3 Stunden Fahrt von Dithmarschen zur Hojskole in das dänische Örtchen Kalø, das bei Århus liegt, wurde ich an der Hojskole sehr nett von dem Dänischlehrer Torkild empfangen. Mit ihm hatte ich schon vor der Anreise öfter telefoniert und meinen Aufenthalt geplant. Da die Schule ihren Schülerinnen und Schülern Unterkünfte für die Dauer ihres Kurses anbietet, kann auch ich hier für meine kommenden 5 Tage wohnen. Torkild nahm mich gleich zum gemeinsamen Abendessen mit, bei dem ich einige der Schülerinnen und Schüler kennenlernen konnte. Die meisten sind zwischen 18 und 30 Jahren alt, und sind aus Japan, Australien, England, Iran oder Grönland zum Dänischlernen nach Kalø gekommen. Viele von ihnen besuchen hier Kurse, die bis zu 6 Monate dauern. Zu den längeren Kursen gehört auch das „Outdoor Ranger“-Programm, in dem die Teilnehmenden (vorwiegend Dänen) lernen, mit einfachen Mitteln in der freien Natur zu (über)leben, wie Feuermachen ohne gängige Hilfsmittel, sowie Jagen und Fischen funktionieren, um einige Zeit draußen leben zu können. David, einer der Outdoor-Lehrer, erklärt mir, dass es immer beliebter werde, in seiner Freizeit ein ganz einfaches Leben in der freien Natur zu leben. Freie Unterkünfte mitten in der Natur wären mittlerweile Gang und Gäbe in Dänemark, entsprechende Fernsehformate würden ihr Übriges tun, dass das „Outdoor-Life“ frei von irgendwelchen innovativen Hilfsmitteln draußen so gefragt ist, besonders bei denen, „die viel am Computer arbeiten“, wie er sagt. Interessanter Aspekt, denke ich mir, da ich mich ja in dieser Woche besonders mit Technik und Digitalisierung in der Erwachsenenbildung beschäftigen will.

Am Montagmorgen lerne ich gleich nach dem Frühstück das morgendliche Ritual kennen, das mir richtig gut gefällt: Alle Schülerinnen und Schüler versammeln sich in einer großen Aula. Zuerst singen alle ein gemeinsames dänisches Lied mit Gitarrenbegleitung, dann hat Simon, einer der Lehrer, einen kurzen Vortrag über „magt“ (Macht) vorbereitet und erzählt von der bevorstehenden Parlamentswahl im Juni. Ich verstehe natürlich nicht so viel, sehe aber, wie aufmerksam ihm alle zuhören. Nach einer Viertelstunde verabschiedet Simon alle in den Tag und ich treffe einige Schülerinnen und Schüler in einer der Dänischklassen wieder. Torkild setzt mich zwischen die Schüler, und es wird anhand eines Fragenkatalogs ein Dialog geübt. Ganz analog, und mit dem Hintergrund, dass sich immer mehr das freie Sprechen zutrauen sollen, ohne dabei direkt vor allen in der Klasse sprechen zu müssen.

Nach dem Mittagessen nimmt sich Schulleiter Søren viel Zeit für mich. Wir tauschen uns über die Unterschiede und Gemeinsamkeiten dänischer und deutscher Erwachsenenbildungseinrichtungen aus. Seit die Dänen in der letzten Parlamentswahl den Rechtspopulisten zu einem solchen Stimmenzuwachs verholfen haben, dass sie seither zum Rückgrat des Ministerpräsidenten Rasmussen geworden sind, haben zahlreiche Asyl- und aufenthaltsrechtliche Verschärfungen auch die Situation von Sprachschulen wie der Hojskole in Kalø verschlechtert. Geflüchtete dürfen nun nicht mehr hier lernen, sondern sind auf das Lernsystem der FVU (Forberedende voksenundervisning; Vorbereitende Erwachsenenbildung) angewiesen, das nicht an allen Schulen angeboten wird. Kalø Hojskole unterrichtet nach dem System des DU, der Danskuddannelse, zu Deutsch „Dänischausbildung“. Die Schule versteht sich aber als Bildungseinrichtung für alle und weiß, dass viele Zugewanderte aus der Region gern in Kalø lernen würden. Trotz dieser Verschärfungen sei das Bildungssystem Dänemarks sehr frei: Niemand würde ihm Vorschriften machen, was seine Schule zu unterrichten hätte, wie seine Klassen ausgestaltet sein müssten, womit unterrichtet werde. Das würde ihm sehr gefallen.

Nach unserem Gespräch kann ich eine weitere Dänischklasse besuchen und stelle in der Pause fest, dass die in einem hinteren Teil des gemütlichen Dachgeschossraumes verstauten E-Gitarren tatsächlich genutzt werden: Nämlich von einigen australischen Schülern, die einfach darauf ihr Können zum Besten geben!

Bevor es zum Abendessen geht, schaffe ich es noch zu einem kleinen Spaziergang zu einer Schlossruine mitten auf einer nur zu Fuß zugänglichen Halbinsel, die wirklich recht abgeschieden liegt. Das Hinweisschild auf dem Parkplatz in der Nähe zur Ruine ist leider nur auf Dänisch, doch nicht schlimm: Denn das Free Wifi-Zeichen am Fußweg lässt mich mal eben schnell eine Internetsuche starten!

Fazit: Ich möchte definitiv mehr erfahren über die Diskussionen, die Dänemark in Bezug auf Digitalisierung, Bildung und entsprechende Kursangebote zu führen scheint.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Dienstag, 26. März 2019

Mein „zweiter Schultag“ beginnt wieder mit gemeinsamem Singen und einem Kurzvortrag zur Morgenversammlung. Dieses Mal berichtet Torkild von dem Künstler Christian Lemmerz, und bringt mit seiner anschaulichen Erzählung des provokanten Künstlers alle zum Lachen. Auch ich verstehe manches, lasse mir aber das eine oder andere Detail trotzdem lieber mal übersetzen, schließlich rate ich mehr, als dass ich verstehe…!

Heute begleite ich Michael in seinen Dänisch Unterricht, wo es u.a. um die Verwendung der Konjunktionen „at“ und „om“ geht. Auch in seiner Klasse steht die Kommunikation untereinander im Mittelpunkt, Michael ist steht die ganze Zeit mitten in der Klasse, scheint jeden einzelnen komplett mit einzubeziehen und hält die Klasse wirklich zwei Mal ganze 90 Minuten „bei Laune“ und konzentriert, dass ich schon beeindruckt bin. Es wird viel gelacht, die Stimmung ist richtig gut.

Nach dem Mittagessen habe ich die Möglichkeit, einige Schülerinnen aus Japan „zu interviewen“, was ihnen an der Kalø Hojskole gefällt, wieso sie sich Dänemark als Gastland ausgesucht haben und worin sich das Lernen in Kalø von japanischen Bildungseinrichtungen unterscheidet. Schnell erzählen sie, dass sie sehr viel gearbeitet haben in Japan. Direkt nach der Uni sind sie in Unternehmen eingestiegen, wo sie nicht selten 60 Stunden in der Woche gearbeitet haben, meistens am Computer. Sie sind erst 26 Jahre alt, wussten aber, dass sie dieses Pensum einfach nicht lange aushalten werden. Sie alle kannten sich nicht, als sie nach Dänemark kamen, haben aber witziger Weise alle über den Reiseblog eines Japaners von der Kalø Hojskole erfahren. Hier schätzen sie das angenehme Lernklima, die Lehrer, die nicht einfach nur nach Schema-F unterrichten, sondern sich intensiv um ihre Schülerinnen und Schüler kümmern. Jemand erscheint nicht wie gewohnt zum Unterricht? Die Lehrer haken nach und gehen der Ursache auf den Grund.

Eine Japanerin hat als Erzieherin in Dänemark gearbeitet und möchte ihren Job unbedingt in Dänemark wiederaufnehmen. Der Lehrer Simon hat ihr einen Praktikumsplatz in der Nähe vermittelt, und sie hofft, dass sie hier Fuß fassen kann.

Mit Simon kann ich nachmittags ein längeres Gespräch führen, dass mir noch einmal viele wichtige Informationen gibt. Die Kalø Hojskole unterscheidet sich wirklich sehr von anderen Bildungseinrichtungen für Erwachsene. Wie auch Schulleiter Søren erklärt mir Simon, dass die Freiheit, was wann unterrichtet wird, einen großen Vorteil darstellt. Sie würden ihr Curriculum jährlich ändern; von Monat zu Monat werden die Themen des Dänisch Unterrichts außerdem neu festgelegt, und zwar unter Einbeziehung der Interessen und Wünschen der Schülerinnen und Schüler. Diejenigen, die vorher eine anderen Hojskole besucht haben, hätten zuerst mit der Freiheit beim Lernen größere Schwierigkeiten, würden fragen, welche Übungen genau sie bearbeiten müssten, um im Test gut abzuschneiden. Doch Prüfungen gibt es in Kalø nicht. Die Schule arbeitet nach dem Grundsatz: „Wir helfen dir, dass du lernen kannst. Aber wir lernen nicht für dich. Du sollst selbstständig sein und werden, und für dich selbst lernen.“ Wer ein Dänisch Zertifikat erwerben wolle, müsse den Test an einer anderen Schule absolvieren. Viele Schülerinnen und Schüler stellten nach einer Weile fest, dass das freiere Lernen ihnen viel mehr Spaß bringe, sie schneller Fortschritte machten und sinnvolles für den Alltag lernten. Simon ist stolz darauf, dass nicht ein bestimmtes Rahmencurriculum den Takt vorgibt, sondern der Mensch im Mittelpunkt steht. Die Lehrer, die hier unterrichten, müssten keine studierten Lehrkräfte sein; es zähle ihre Persönlichkeit und ihr Enthusiasmus fürs Lehren und Lernen. Er selbst habe als Entwicklungshelfer in Sierra Leone gearbeitet, und habe sich durch das Stellenangebot in Kalø gleich angesprochen gefühlt. Ich merke, hier brennt jemand für die Sache! Ich bin froh und dankbar, dass ich mich so intensiv mit den Lehrern hier austauschen und wirklich pädagogische Ansätze diskutieren und reflektieren kann.

 

Am heutigen Abend gibt es noch einen Kurzvortrag von Kristian Krog, Direktor der umgebauten „Maltfabrikken“ (Malzfabrik) in Ebeltoft, einem Städtchen in der Nähe von Kalø. Die ehemalige Malzfabrik dominiert seit 1861 das Stadtbild, und drohte vor ein paar Jahren abgerissen und durch ein modernes Shoppingcenter ersetzt zu werden. Kristian Krog generierte mit einer Reihe von Helfern so viele Gelder, dass sie binnen eines Jahres als Genossenschaft das riesige Fabrikgebäude gekauft und für etliche Millionen in den Jahren danach renoviert haben. Das spannende daran: Er hat dafür keine staatlichen Hilfen oder EU-Fördergelder erhalten, sondern schlichtweg Fundraising betrieben, und ein Konzept entwickelt, mit dem sich das Gebäude nun selbst tragen soll: Die Maltfabrikken beinhaltet eine u.a. eine Konzerthalle, Cafés und Restaurants, Büroräume und Kreativarbeitsplätze, Jugendtreffs, Wohnungen für Künstlerinnen und Künstler. Die Büroräume sind als „coworking spaces“ ausgerichtet, natürlich mit grenzenlosem WLAN…  Hunderte Freiwillige bringen sich nach wie vor mit Zeit und Ideen ein. Ziel der Renovierung ist es auch, junge Leute nach Ebeltoft zu ziehen, denn die Bevölkerungsstruktur zeigt einen hohen Anteil an Menschen über 65 Jahren.

Übermorgen werde ich mir die Fabrik – zumindest von außen, Eröffnung ist erst Ende Juli – und Ebeltoft selbst auf jeden Fall mal ansehen. http://www.dennymaltfabrik.dk

Nach dem Vortrag treffen sich alle wieder im Speisesaal, es gibt Kammerjunkere mit Koldskål, buttrige Kekse mit einem flüssigen, gesüßten Jogurt! Lecker, so zum Tagesabschluss

 

 

 

 

 

 

Mittwoch, 27. März 2019

„Es ist einfach da!“

Wie arbeiten andere Højskolen in Dänemark? Welche digitalen Techniken setzen sie im Unterricht ein? Eine Einrichtung, die ich heute den Tag über besuchen kann, ist die Lærdansk. Eine Lærdansk gibt es in Rønde, ca. 10 Minuten entfernt. Dort treffe ich morgens Anne, die mich gleich sehr freundlich begrüßt und wir uns im gemütlichen, großzügigen Lehrerzimmer über „unsere Schulen“ austauschen. Ich erzähle von der vhs.cloud – nichts Neues für sie, seit Jahren arbeiten sie selbst nicht nur mit Smartboards, sondern natürlich auch mit einer cloud, und zwar GoogleDrive.

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Vor einigen Jahren hat der Dachverband der Lærdansk beschlossen, die erforderlichen technischen Geräte anzuschaffen, seither sind alle Schulen bestens ausgestattet. Und somit bin ich sehr gespannt, als wir gemeinsam in einen der Unterrichtsräume gehen, wo schon die Schülerinnen und Schüler auf ihren Dänischunterricht warten.

An der Wand prangt ein großes Smartboard (wie auch in den anderen Räumen), das Anne gleich einschaltet. Aus einem Schrank mit 20 Schließfächern holen sich die Schülerinnen und Schüler je einen Laptop und Kopfhörer. In der Mitte des Raumes ist ein Steckdosenturm mit Rollen für die Laptopkabel. Während alle ihre PC’s an den Strom anschließen, öffnet Anne die erforderlichen Plattformen: Lærdansk arbeitet mit „EduLife“, ein Programm, auf das sie über GoogleDrive zugreifen. Die Schülerinnen und Schüler loggen sich ebenfalls ein, und Anne startet auch schon die erste Aufgabe über eine weitere Seite, mit der sie häufig arbeitet: https://padlet.com. Es sollen in einfachen Sätzen „Fremtidsplaner“, Zukunftspläne, beschrieben werden.

Nun bin ich gespannt, denn alle schreiben an ihren Laptops eifrig drauf los. Ich gehe herum und schaue mir an, woran alle arbeiten, und kann gleichzeitig direkt vorn am Smartboard die Arbeitsergebnisse über padlet.com sehen. Die einzelnen Texte erscheinen auf der Bildoberfläche, mit Namen des Schülers/ der Schülerin und sind so für alle sicht- und vergleichbar. Änderungen werden ebenfalls zeitglich angezeigt. Aenne erklärt mir, dass alles gespeichert ist und sie jederzeit die alten „Folien“ wieder aufrufen kann. Obwohl die Laptoparbeit natürlich den meisten Raum einnimmt, findet über das Smartboard sehr viel Kommunikation statt. Es wird immer mal wieder was vorgelesen, korrigiert, diskutiert, gelacht, als ein Bild von Christiano Ronaldo unter dem Text eines Schülers erscheint. Als Anne und ich in die Mittagspause gehen, lässt sie den Raum offen, und die Schüler bleiben an ihren Laptops sitzen. Nichts wird ein- oder weggeschlossen.

Ich lerne nun zwei weitere Lehrerinnen kennen und es entwickelt sich ein richtig interessanter Austausch über Lernformen, Methoden und Veränderungsprozesse. Am Anfang, erzählen alle, hätten sie auch Berührungsängste mit den Smartboards gehabt. Und ja, es hätten auch einige mit Boardmarkern auf das Smartboard geschrieben… Als so viele Geflüchtete nach Dänemark und damit auch in die Lærdansk kamen, ist doch auch manchmal das WLAN bei so vielen Nutzer zusammengebrochen. Doch das habe sich mittlerweile geändert, die Technik funktioniert, und wenn doch mal was nicht nach Plan läuft, können sie einen Techniker anrufen. Als Lehrkräfte empfänden sie die Technik mittlerweile normal, sie könnten sich gar nicht mehr vorstellen, ohne zu unterrichten. „Es ist einfach da!“, sagt Anne, und unterstreicht damit die Selbstverständlichkeit des Technikeinsatzes.

Für die Schülerinnen und Schüler sei es wichtig, mit Laptops und Smartboard zu arbeiten, denn schließlich würden sie außerhalb der Schule in der Arbeitswelt auch nicht mehr ohne Technik klarkommen können. Warum nicht also gleich nebenbei üben, damit umzugehen? Es habe sich im Übrigen gar nicht die Frage gestellt, ob jemand von ihnen komplett analog arbeiten wolle, denn ihr Verband hat vor einigen Jahren mehr oder weniger „diktiert“, dass von nun an „digital“ gearbeitet werden müsse.

Wir kommen nach der Pause in den Raum zurück und es geht auf die Prüfungsvorbereitung zu. Anne sammelt in einem neuen Dokument am Smartboard (mit dem richtigen Stift ;-)) die Vermutungen der Schülerinnen und Schüler, welche Themen wohl in der kommenden Modulprüfung abgefragt werden. Sie zeigt mir, dass sie in dem Textdokument unendlich viel schreiben, aber auch einfach neue Seiten aufrufen kann. Zur Navigation nutzt sie entweder die Tastatur mit Touchpad oder klickt mit dem Finger auf Felder, um die Schrift z.B. zu vergrößern oder zu verkleinern.

Dann ruft sie erneut EduLife auf, wo sie die Schülerinnen und Schüler auf einer Art Pinnwand noch einmal längere Texte schreiben lässt. Ich bin fasziniert: Sie ruft sich den Text eines Schülers ans Smartboard auf, markiert falsche Textstellen, unterlegt sie mit einem Kommentar („Achtung: Rechtschreibung!“, „hier Infinitiv“ oder „bitte Satzbau beachten“) und der Schüler korrigiert es sofort und sichtbar für alle über seinen account. Dann wird reihum vorgelesen, und die anderen können über das Smartboard mitlesen und eigene Kommentare dazu abgeben.

Bringt die teure Technik nun den gewünschten Erfolg, will ich von Anne wissen. Sie ist überzeugt, dass sich die Anschaffungen gelohnt haben. Die Schüler seien souverän im Umgang mit Laptops und cloud-Plattformen. Der Unterricht könne „demokratisiert“ werden, denn alle hätten an allem Teil, jeder kann sich einbringen, Fehlerkorrektur kann sofort und für alle sichtbar passieren, und wenn sie will, kann sie auch nach dem Unterricht mit den Schülerinnen und Schülern über EduLife in Kontakt treten. Im Prinzip könnten sie komplett papierlos unterrichten, haben jedoch nicht alle Lehrbuchlizenzen, um die Online-Versionen ihrer Bücher aufrufen zu können.

Sicher, sie könnte auch mit Laptop und Beamer arbeiten, sagt sie, aber gerade die Vernetzung über die Plattformen und das Speichern und Aufrufen direkt an der Wand seien einfach großartige Möglichkeiten. Der Umgang mit einem Google-Dienst steht überhaupt nicht zur Debatte, Anne und ihre Kolleginnen sehen in den Funktionen einfach nur Vorteile.

Ich fahre am späten Nachmittag nach Hause und überlege mir schon, wie sich meine Erkenntnisse bei uns umsetzen lassen.

 

Donnerstag, 28. März 2019

Den heutigen Tag verbringe ich wieder an einer Schule der Einrichtung „Lærdansk“, allerdings in Århus. Dort erwartet mich morgens Marianne, die Leiterin der Schule. Schon beim Betreten des großen Gebäudes bin ich beeindruckt: Denn ich trete in ein großes, rundes, helles Foyer mit einem großen Empfangstresen, Büros an den Seiten mit großen Glasscheiben, sodass alles offen wirkt, und kann schon erahnen, dass es nicht nur 12 Unterrichtsräume gibt!

Marianne fragt mich, ob ich mit ihr im Besprechungsraum einen Kaffee trinke und ob ich noch frühstücken möchte (ich habe natürlich schon gefrühstückt, aber wie toll ist denn diese Frage bitte?! Bei uns käme nie jemand auf die Idee, DAS zu fragen!). Im Besprechungsraum prangt ein Smartboard, das sie einschaltet und eine extra für mich angefertigte Powerpoint-Präsentation über ihre Schule und die Lærdansk öffnet. Ganz schön toll, diese Vorbereitung! Und da erfahre ich zum ersten Mal, dass die Lærdansk nicht einfach irgendeine Sprachschule ist. Nein, Lærdansk ist eine NGO, die Sprachschulen in ganz Dänemark unterhält und Entwicklungshilfe in Krisenregionen leistet, in Dänemark Unterkünfte für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge hat und daher ein ganzheitliches Konzept verfolgt: Hilfe vor Ort im Ausland, Hilfe in Dänemark.

Lærdansk hat sich vor einigen Jahren dann auf den Weg gemacht, eigene Unterrichtsmaterialien für den eigenen Dänisch Unterricht zu entwickeln, die unter den Lehrkräften ausgetauscht werden sollen. Für jedes Sprachmodul hat die Einrichtung also passende Materialien. Es stellte sich die Frage, wie diese Materialien untereinander geteilt werden könnten, also war der Bedarf einer cloud gekommen und GoogleDrive war im Boot. Und dann kamen die Smartboards, iPads, iPhones, Laptops und PC’s. Offen gestanden, musste ich mich etwas bemühen, dass mir nicht die Kinnlade herunterfiel: Jede Lehrkraft durfte sich zwei tragbare Geräte zum Ausprobieren mit nach Hause nehmen. Die meisten nahmen einen Laptop und ein iPad. Lehrer, die 3 Monate später kündigten, mussten die Geräte zwar wieder abgeben; alle anderen durften sie aber bis heute behalten! Wahnsinn.

Zum IT-Konzept zählte von Anfang an die Schulung der Lehrkräfte. Es gab sog. „Web2“-Seminare, um den Umgang mit GoogleDrive und EduLife zu erlernen, es gab ein Schulungskonzept der Lehrerinnen und Lehrer untereinander, es gab Lehrproben, es gab Präsentationen, es gab Feedbackgespräche. „It was a long way and cost a lot of ressources“, gibt Marianne zu, doch es habe sich gelohnt. Bei einer kurzen Unterrichtsstippvisite sehe ich, dass sie recht hat: In Windeseile hantiert eine Lehrerin mit dem Smartboard, öffnet hier eine Datei, da ein beschriftbares Dokument, da ein Online-Spiel.

Marianne erzählt mir, dass der Mehrwert für die Schülerinnen und Schüler immer im Vordergrund gestanden hätte. Sie sollten nicht nur Dänisch lernen, sondern auch mit Technik umgehen können. Und die Lehrkräfte sollten es vormachen. Und am Ende spare es allen Zeit. Sie gibt mir viele wertvolle Tipps zum Vorgehen, und reicht mir schon mal ihre Karte, damit ich ihr auch von Heide aus noch Fragen mailen kann!

 

Dass die Lærdansk in Århus nicht nur technologisch beneidenswert gut ausgestattet ist, wird mir beim Rundgang noch einmal deutlich. Im 1. Stock ist eine geräumige Kantine. Im Erdgeschoss sind bis zu 25 Unterrichtsräume (wohlgemerkt: In ALLEN hängt ein Smartboard!), im Keller ist ein riesiges und sehr gemütliches Lehrerzimmer mit einem Ruheraum für zwischendurch (!), daneben befindet sich eine Bibliothek mit mobilen Ausleihstationen, PC-Arbeitsplätzen sowie einem Versammlungsraum und eine Art LernCafé,

 

in dem sich Ehrenamtliche und Dänisch Schüler zum Üben treffen.

Beim Mittagessen kann ich mich mit anderen Lehrkräften austauschen, wie sie den Einzug der Digitalisierung empfunden haben. Am Anfang haben sie sich auch überwinden müssen, sagen sie, doch sie seien ja nicht drum herumgekommen, und hätten sich einfach eingearbeitet. Auch wenn die Smartboards so viele Funktionen bieten würden, dass sie gar nicht alle kennen, könnten sie sich gar nicht mehr vorstellen, ohne zu unterrichten. Ich habe kurz ein Déjà-vu…

Ich mache kurz ’mal wieder die Spielverderberin und frage vorsichtig nach Datenschutz im Umgang mit Google. Sie verstehen mich erst nicht, antworten, dass alle Schülerinnen und Schüler zu Beginn unterschreiben müssen, dass ihr Name auf den Online-Plattformen erscheinen darf. Gut, aber was ist mit Google an sich, möchte ich wissen, schließlich gehört Datensammeln zum Geschäftsmodell? Wieder ungläubige Blicke, dann antwortet eine Lehrerin, dass natürlich irgendwo immer etwas an Daten gesammelt werde, „but, you’ve just got to use google and its apps as a tool!!“

 

Louise, eine der Lehrerinnen, schwärmt mir im weiteren Gespräch von „Kahoot!“ vor, einem Online-Spiel zum Üben von Sprachen. Ich kenne es nicht, und sie lädt mich ein, nachmittags ihre Klasse zu besuchen. So kann ich den ganzen Nachmittag über live miterleben, wie nicht nur ein kleines unterhaltsames Spiel den Unterricht auflockert, sondern wie sie auch hier die share-Funktionen von GoogleApps nutzt, um geschriebene Texte unmittelbar zu korrigieren. Natürlich sitzt in ihrer Klasse jeder an einem Laptop, dennoch lässt sie hin und wieder auch Übungen auf Papier machen. Ich kann auch miterleben, wie die Schülerinnen und Schüler das Smartboard nutzen, als einer ein Referat über „Bier und das deutsche Reinheitsgebot“ hält (warum gucken mich alle so an 😉 ?), und wie selbstverständlich auf dem Smartboard seine Dateien anklickt und auswählt.

Mit Louise spreche ich am späten Nachmittag noch eine Weile, und sie gibt mir wieder einen Satz in puncto Techniknutzung mit, den ich jetzt wirklich schon öfter gehört habe: „In the end, it just saves me a lot of time!“

Völlig angetan von so einer großartigen Ausstattung und einer so selbstverständlichen Technikanwendung verlasse ich die Lærdansk und bin einfach nur dankbar für diesen Ausflug in die Zukunft.

 

Freitag, 29. März 2019

Am heutigen Tag endet mein Aufenthalt in Dänemark und ich bin schon ein bisschen wehmütig, denn ich habe hier wirklich tolle Menschen kennengelernt – und bei allem Schwerpunkt auf Digitalisierung, digitaler Kommunikation und den besten technischen Geräten: Es sind doch immer die Menschen und die persönlichen Gespräche, die man in Erinnerung behält.

Der Tag beginnt wie immer mit einer Versammlung am Morgen, und die Lehrerinnen und Lehrer präsentieren über die große Leinwand das Wochen- und Monatsprogramm für den April. Es soll thematische Schwerpunkte in ökologischer Bildung geben ebenso wie Gesundheitskurse und Seminare zu dänischer Kultur.

Heute Morgen spielen wir außerdem ein Online-Spiel, was ich die vergangenen Tage auch schön in Rønde und Århus kennengelernt habe: Kahoot!

Über www.kahoot.it ruft Lehrerin Jessica das von ihr vorbereitete Spiel auf. Sie muss die Regeln nicht erklären, alle kennen das Spiel und loggen sich mit dem vorgegebenen Code in das Spiel ein. Ich mache auch mit und muss nun Fragen zu dänischen National- und Lieblingsgerichten, internationalen Essgewohnheiten und allgemeiner Geografie in Sekundenschnelle beantworten. Leider schneide ich nicht so gut ab, aber bei diesem Spiel geht es um den gemeinsamen Spaß an der Sache, und so kann sich dann auch ein Schüler über einen neuen Becher freuen!

Im Unterricht geht es heute Vormittag um die Vertiefung von Grammatikregeln und dem freien Sprechen. Gegen Mittag habe ich ausgiebig Gelegenheit, mich mit Torkild über verschiedene Unterrichtsmethoden, analog wie digital, auszutauschen. Er sieht den Einsatz von zu viel Technik kritisch, denn ihm fehle der direkte Draht zu seinen Schülerinnen und Schülern, wenn sie die ganze Zeit vor ihren Laptops sitzen würden. Ihm sei es wichtig, dass sie so viel Zeit wie möglich damit verbringen, das freie Sprechen zu üben. Dabei bevorzuge er auch, sie wirklich „in Ruhe“ zu lassen und ihnen nicht das Gefühl zu geben, er beobachte sie. So sollen sie mehr Selbstsicherheit bekommen. Je länger wir sprechen, Pro und Contra abwägen, Methoden reflektieren und verschiedene Lernsettings diskutieren, desto mehr fällt auch ihm auf, dass er seine eigene Art zu unterrichten öfter hinterfragen möchte. Wir beschließen, den Kontakt von Heide und Kalø aufrecht zu erhalten und uns regelmäßig über Neuerungen in der Erwachsenenbildung auszutauschen.

Gegen Nachmittag breche ich dann nach Århus auf, wo ich mir noch unbedingt die Bibliothek Dokk1 anschauen will. Vorher verabschiede ich mich aber von Schüler*innen und Lehrer*innen und überreiche noch ein paar Mitbringsel aus Deutschland.

Recht kurzfristig hatte ich in der Bibliothek von Århus angefragt, ob ein kurzes persönliches Gespräch mit Bibliotheksmitarbeitenden zur Umsetzung von Digitalisierung führen könnte. Denn wenn die nächste Bibliotheksführung am 1. April stattfindet, werde ich ja nicht mehr in Dänemark sein. Ich bekomme tatsächlich eine sehr nette, persönliche Email zurück, in der mir eine Louise Lærke mitteilt, dass sie die ganze Woche über in meetings festhängt und sich daher nicht mit mir treffen kann. Ich fahre daher auf eigene Faust nach Århus und parke zunächst im Unterschoss vom Dokk 1. Hier hat die Technik wirklich Einzug erhalten: Ich fahre in eine der vielen Garagen, die mit transparenten Toren versehen sind; auf einem Bildschirm werden mir genaue Anweisungen gegeben, wie weit ich vorfahren soll, dass ich die Handbremse bitte nicht vergesse anzuziehen und mich jetzt bitte aus dem Auto begebe. Aber Vorsicht: Bitte nichts im Auto vergessen! Okay, denke ich, nehme meine Tasche mit, überprüfe noch einmal alles, verlasse die „Garage“ und stelle mich an die Schranke an den Kassenautomaten. Dort muss ich mich mit meiner Kreditkarte registrieren, und plötzlich verschwindet mein Auto ins Nirgendwo des Parkhauses, wird also nach unten transportiert und dort wahrscheinlich gestapelt. Ich schwanke zwischen „Hoffentlich kriege ich mein Auto wieder!“ und absoluter Faszination.

Die hält auch an, als ich dann die Bibliothek darüber betrete. Auf 18.000 Quadratmetern soll sie sich befinden, und was ich erst einmal zu sehen bekomme, ist wirklich wahnsinnig viel Platz: Neben einem Bürgerbüro für Passangelegenheiten (!) stehe ich in einer riesigen Eingangshalle, dann komme ich an einer sog. gaming street, vorbei, wo Leute sitzen und Computerspiele spielen; an PC-Arbeitsplätzen, natürlich auch Bücherregalen (aber nicht so vielen) und ganz hinten sehe ich eine richtig gemütliche Sitzecke mit IKEA-Sesseln und mit dem besten Blick auf Hafen und Wasser von Århus.

Außerdem gibt es ein Café, wo wirklich viele Leute sitzen und sich einen Kaffee gönnen. Es gibt eine Litfaßsäule, an der man auf einer Zeitleiste anpinnen kann, wann man meint, dass bestimmte Gerichte entstanden sind, daneben kann man an einer großen Pinnwand seine Lieblingsgerichte auf Post-its anpinnen – es sind diese netten Kleinigkeiten, die diesem Ort wieder etwas ganz „normales“ gibt.

Auf dem Weg durch die Bibliothek fällt mir auch diese „Maschine“ in einem Glaskasten auf. Ich versuche herauszufinden, was die Fließbänder und Monitore sei sollen, bis jemand kommt und in eine Luke seine Bücher auf ein Fließband legt, die dann durch die Maschine hindurch transportiert werden. Eine elektronische Rückgabemaschine also, mein Gott, ich komme mir wirklich wie vom anderen Planeten vor!

Irgendwie ist es aber ein Spannungsfeld, was ich hier zum Abschluss meiner Woche zu sehen bekomme: Die durchgestylte Bibliothek, in der technisch alles möglich scheint, hat trotzdem viel Raum vorgesehen, an dem sich Menschen TREFFEN können. Die Brettspielsammlung ist enorm und wird vor meinen Augen genutzt, Menschen sitzen zusammen und sind in angeregte Gespräche vertieft. Wie auch in den Schulen in Rønde, Århus und Kalø: Ohne persönliche Kommunikation und persönliche Kontakte auf ganz analoge Weise geht nichts, Digitalisierung bringt zwar enorme Vorteile, aber sie wird in meinen Augen nie einen Ersatz für persönlichen Austausch bieten.

Mit vielen unvergesslichen und neuen Erlebnissen fahre ich also wieder nach Deutschland (mein Auto wurde im Parkhaus wie von Geisterhand in „meine“ Garage zurückgefahren 😉 ). Ich werde einige digitale, aber auch analoge Ideen mit in meine Volkshochschule nehmen und die voranschreitende Digitalisierung in der Erwachsenenbildung immer unter der Prämisse betrachten, wann es Sinn macht, Technik einzusetzen. Denn, wie sagte selbst Marianne von der Lærdansk: „Nutze niemals Technik nur um der Technik willen.“

 

 

Dänemark: Studieskolen Kopenhagen und Dachverband der Abendschulen DOF

Ein Bericht von Karl Damke

Warum Dänemark?
Über den Zielort meiner Erasmus+ Mobilität musste ich nicht lange  nachdenken. Ich wusste, ich musste nach Kopenhagen und Christoph Schepers bei Studieskolen besuchen.

Christoph arbeitet seit vielen Jahren für Studieskolen, die größte Sprachschule Dänemarks, und ist dort als Senior Consultant für das Deutschangebot und einen Teil der Projekte zuständig, die Studieskolen als ständigen Innovationsmotor betreibt. In diesem Zusammenhang hatte ich bereits das Vergnügen in einem vergangenen Erasmus+ Projekt mit Christoph und einem internationalen Team zusammenarbeiten zu dürfen. Wir haben uns zwei Jahre lang mit der Schnittstelle zwischen selbstgesteuertem Lernen, Technologie und Sprachcoaching beschäftigt. Wer sich für dieses Projekt interessiert: Die Ergebnisse können unter learnbase.org abgerufen werden.

Während meiner Zusammenarbeit mit Studieskolen war ich immer beeindruckt davon, welche weiteren Projekte dort scheinbar ganz nebenbei laufen, konnte mich aber nie intensiver damit beschäftigen. So entstand die Idee, im Rahmen dieser Erasmus+ Mobilität die losen Fäden wieder aufzunehmen. In der Planung für meine Hospitation brachte Christoph die Idee ein, dass ich auch den Dachverband von Studieskolen, den Dansk Oplysnings Forbund (DOF) in Roskilde besuchen sollte. Eine sehr gute Idee!

Wir haben uns im Laufe der Woche mit folgenden Themen beschäftigt:

⦁ Online Einstufungstest FACTS
⦁ Blended Learning mit Danish to Go
⦁ Online-Unterricht in Dänisch als Zweitsprache
⦁ Lehrkräftequalifizierung mit dem Mulitmediaführerschein
⦁ Kurs- und Contentmanagementsysteme der dänischen Abendschulen
⦁ Kursmarketing mit Social Media
⦁ Trainingsprogramm “Online Sprachen unterrichten”
⦁ Aufbau von le:v:el, dem Weiterbildungsinstitut von Studieskolen

 


Tag 1: Studieskolen Kopenhagen – Online Einstufungstest FACTS
Am Montagmorgen machte ich mich auf den Weg zu Studieskolen in der Kopenhagener Innenstadt. Ich wurde vom Team herzlich begrüßt und konnte mit Christoph Schepers das Programm für die Woche besprechen.

Am Montag beschäftigten wir uns hauptsächlich mit dem FACTS, einem Online-Einstufungstest, den Studieskolen bereits seit 2008 einsetzt. In dieser Zeit wurde der Test immer wieder ergänzt und weiterentwickelt, eine weitere, grundlegende Überarbeitung steht aktuell wieder an. Um ein Gefühl für die notwendigen Änderungen und Verbesserungen zu bekommen, habe ich den restlichen Vormittag mit der Analyse des Tests verbracht. Ich habe aus Screenshots des Tests eine Präsentation erstellt, die wir nach dem Mittagessen intensiv mit Christoph und seiner Kollegin Stine besprochen haben.

In den vergangenen Jahren haben auch einige Volkshochschulen den FACTS für die Einstufung verwendet, zum Beispiel auf sprachtest.vhs-wiesbaden.de. Die zentrale Frage im Gespräch mit Stine und Christoph war, wie Volkshochschulen auch in Zukunft den Test einsetzen können und welchen Stellenwert er im Beratungsportofolio einnehmen kann. Anders als zur Einführung des FACTS in 2008 gibt es jetzt auch andere Einstufungstests auf dem Markt, wie etwa sprachtest.de, den ich auch zum Vergleich in der Präsentation herangezogen habe.

 

Tag 2: Blended und Online-Formate mit Danish To Go
Am Dienstag habe ich mich mit Kaspar Bredahl Rasmussen aus der Dänischabteilung von Studieskolen getroffen. Seine Abteilung hat in den vergangenen Jahren einen vergleichbaren Boom erlebt wie der DaZ-Bereich an deutschen Volkshochschulen. Wir haben über die Gelingensbedingungen von Onlineformaten gesprochen und das an zwei Projekten von Studieskolen festgemacht: Danish to go und dem Onlinekurs Dänisch B2.

Danish to go ist ein von Studieskolen entwickeltes Lehrwerk für Dänisch als Zweitsprache auf A1 und A2, das aus einem traditionellen Printlehrwerk und einer Onlineplattform besteht. Spannend dabei ist, dass beide Komponenten bewusst unterschiedlich gestaltet sind. Das Buch für die Präsenzphasen arbeitet sehr stark kommunikativ, ein Großteil der Übungen und Grammatikarbeit findet auf die Onlineplattform statt. Sehr spannend ist auch der sehr umfangreiche Aussprachebereich online.

Beim Onlinekurs Dänisch B2, den Kaspar selbst unterrichtet, wird ein ähnlicher Ansatz verfolgt. Es gibt einen Moodle-Kurs auf dem alle Inhalte für das Selbststudium liegen, die einmal wöchentlich per Videokonferenz stattfindenden Live-Termine konzentrieren sich auf Kommunikation und Interaktion. Kaspar nutzt verschiedene automatisierte Übungsformate in Moodle unter anderem aus Danish to go oder speziell für den Kurs mit dem kostenlosen Autorenwerkzeug H5P erstellte Übungen.

Am Nachmittag habe ich dann eine Folge für den vhscast mit Christoph Schepers aufgenommen und hier veröffentlicht:

vhscast Folge 011: Teacher Training mit Christoph Schepers

Wir sprechen über Studieskolens erfolgreiche Fortbildungsreihe, den Multimedia-Führerschein, darüber wie er aufgebaut ist, wie er in den letzten 6 Jahren umgesetzt wurde und was sie jetzt, nachdem alle Kursleitungen die Fortbildungen durchlaufen haben, als nächstes vorhaben.

 

Tag 3: Dansk Oplysnings Forbund

Der DOF ist eine von fünf landesweiten Dachorganisationen für Abendschulen in Dänemark, “die freie und neutrale öffentliche Bildung verbreiten möchte – unabhängig von der Parteipolitik.”

Der DOF hat rund 250 Mitgliedseinrichtungen in ganz Dänemark. Die Schulen des DOF ​​erreichen jährlich ca. 160.000 Teilnehmende. Als nationale Organisation unterstützt der DOF die Mitgliedsschulen bei ihren täglichen Aktivitäten in einer Vielzahl von Bereichen. Dabei geht es zum einen darum, den Mitgliedsschulen Ratschläge, Inspiration, Wissen, Projektunterstützung und Raum für Vernetzung zu geben und zum anderen für bessere Rahmenbedingungen für Abendschulen auf politischer Ebene zu arbeiten – sowohl lokal als auch national. (s. dazu auch https://www.danskoplysning.dk/om-dof/)

Am Vormittag habe ich mich mit Verbandsdirektor Henrik Christensen und mit Martin Michel, der beim DOF die IT betreut, getroffen. Wir haben uns ausführlich über den IT-Support unterhalten, den der DOF für seine Mitgliedseinrichtungen anbietet. Mit DOFPro bieten sie ein eigenes Verwaltungssystem für ihre Mitgliedseinrichtungen an, dass mit KuferSQL oder CMX vergleichbar ist, sich aber in den Feinheiten und Funktionen unterscheidet. Alle größeren Schulen nutzen dieses System und haben damit die Möglichkeit ihre Kurse im Internet darzustellen.

Im DOF ist mit Kathrine Egemar eine Mitarbeiterin spezialisiert auf die Umsetzung der Webseiten der Mitgliedsschulen. Dafür nutzen sie ein gemeinsames Contentmanagementsystem mit dem witzigen Namen vuptiweb.

Bei der Präsentation fiel mir auf, wie stark sich die DOF-Schulen in den letzten Jahren im Bereich Online- und SocialMedia Marketing entwickelt haben. Um dieses Thema möglichst konkret beleuchten zu können, hatte der DOF am Nachmittag Lisbeth Lunding eingeladen, die Schulleiterin von DOF Paarup Aftenskoler.

DOF Paarup besteht aus mehreren Abendschulen in und rund um Odense, die drittgrößte Stadt Dänemarks. In 2018 stand Lisbeth vor der Entscheidung eine saftige Preiserhöhung für die Verteilung des Printprogramms hinzunehmen oder alternative Wege der Öffentlichkeitsarbeit auf zu tun.

Sie und ihre Kollegin Hanne setzen seitdem auf eine Kombination aus Facebook-Ads, verschiedenen Facebook-Gruppen, einem Mailchimp Newsletter, der 1-2 mal monatlich 1800 Abonennt*innen erreicht und zielgruppenspezifischen Printmaterialien. Die super spannende Präsentation habe ich versucht in einer Sketchnote festzuhalten.

Downloadlink 

Tag 4: Studieskolen le:v:el und Teaching Language Online
Meinen letzten Tag verbrachte ich wieder bei Studieskolen in Kopenhagen. Am Vormittag habe ich mich kurz mit Stine und ihrer Kollegin Lisbeth Krogh über ihre Erfahrungen mit Cambridge Sprachprüfungen unterhalten. Studieskolen deckt als Test Centre komplett Dänemark ab und setzt dabei auf das computerbasierte Testverfahren. Während in Deutschland die Anmeldezahlen für Cambridge Prüfungen seit Jahren rückläufig ist, konnte Studieskolen in den letzten Jahren die Zahl der Teilnehmenden stetig steigern. Laut Stine und Lisbeth ist dafür die enge Zusammenarbeit mit Gymnasien verantwortlich.

Einen sehr spannenden Einblick konnte mit Stine im Anschluss in ein aktuelles Projekt gewähren. Mit Teaching Language Online erarbeiten sie zur Zeit ein Online-Fortbildungsmodul, das Lehrenden dabei helfen soll, besser online zu unterrichten. Dabei wird es zu einem Teil um technische Aspekte, zum anderen aber um methodisches Handwerkszeug gehen. Weitere Details kann ich hier leider nicht verraten, da Studieskolen gerade noch mitten im Entwicklungsprozess steckt. Ich bin aber bereits sehr gespannt auf das finale Produkt.

Ausführlicher und öffentlicher konnte ich am Nachmittag mit Stine und Christoph über das „Knowledge Centre“ le.v:el sprechen, das Studieskolen in den letzten beiden Jahren aufgebaut hat. Mit le:v:el wollen sie die Erkenntnisse und Erfahrungen weitergeben, die sie in all den Projekten und internen Fortbildungen gewonnen haben, die sie in den letzten Jahren durchgeführt haben. Ich habe die Chance genutzt, die erste englischsprachige Folge für den vhscast aufzunehmen: In der Folge schildern Stine und Christoph vor welchen Herausforderungen sie bei der Weitergabe des Wissens an externe Lehrkräfte und andere Institutionen standen.

vhscast Folge 012: Knowledge Centre le:v:el at Studieskolen with Stine Lema & Christoph Schepers

Ich habe mich sehr gefreut, mit Erasmus+ nach Dänemark reisen zu können und nehme viele Anregungen und Ideen mit nach Hause. Vielleicht war ja auch die eine oder andere neue Idee für Sie dabei, das würde mich sehr freuen!

Hospitation in Aabybro (Aalborg)

von I. P.

Tag 1: Montag, 10.09.2018

Heute beginnt meine spannende Woche. Einstieg in das digitale Lernen in einer dänischen Schule für Erwachsenenbildung in Aabybro.

Aabybro gehört zur Kommune Jammerbucht im Norden von Dänemark. Unsere Stadt Tornesch hat seit 10 Jahren eine Partnerschaft mit der Kommune und im Rahmen dieser 10-Jahres Feier konnte ich bereits im Februar hierher mitfahren. Dabei habe ich die Schule und den sehr aufgeschlossenen Schulleiter kennen gelernt. Er hat uns sein besonderes Konzept des Fernstudiums vorgestellt. Das hat mich sehr interessiert und nach mehrmaligem Hin-  und Herschreiben haben wir uns für diese Woche verabredet.

Im Vorfeld habe ich auch schon einen festen Wochenplan bekommen, in dem fest geregelt wurde, wann ich Gespräche und mit wem haben werde. Dabei ist berücksichtigt worden, dass ich mich besonders für die Sprachen interessiere  und natürlich das Online Lernen.

Da ich kein Dänisch spreche und ich nicht davon ausgehen kann, dass in der Schule alle Ansprechpartner Deutsch oder Englisch sprechen können, habe ich eine Dolmetscherin dabei.

Start ist 9.00 Uhr im Büro des Schulleiters. Wir werden begrüßt und sitzen einem Gremium von 6 Leuten gegenüber – alles Lehrkräfte, die Deutsch sprechen können. Sie hätten übers Wochenende geübt und nun trauen sie sich doch mit uns Deutsch zu sprechen, sagt man uns. Eine Vorstellungsrunde und Einführung in das Wochenprogramm und wir werden alle Lehrkräfte dabei wieder treffen.

Dann werde ich gebeten als special guest vor allen Schülern und Lehrern meine Schule einmal vorzustellen. Alle hatten sich in der Cafeteria versammelt. Dort befand sich technisch voll ausgerüstet ein permanentes interactive  Whiteboard. Die Internetseite meiner vhs hatten sie auch schon parat, Lautsprecher sind integriert und so konnte sogar unser Imagefilm gezeigt werden. Dabei ist mir sehr positiv aufgefallen, dass doch viele Schüler und Lehrer Deutsch verstehen.

Jetzt gehen wir mit Carina in ihr Büro. Sie ist die Fachfrau für alle Schüler, die Probleme mit dem Lesen und Schreiben haben – Wortblindheit oder bei uns Legasthenie. Wir tauschen uns über Diagnosen, Vorerfahrungen und Folgen für die Schüler aus. Danach stellt sie uns das besondere Computerprogramm vor, das in der Schule benutzt wird. Die Schüler sind alles Erwachsene und deshalb muss es auch ein besonderes Konzept sein, das sie anspricht. Ein besonderes Computerprogramm: man gibt in seinem Text ein Wort mit den Anfangsbuchstaben ein und es erscheint auf der rechten Seite eine Auswahl von Morphemen, die einem vorgesprochen werden. Wenn einer stimmt, wird er angewählt und der nächste Buchstabe, den man herausgehört hat, genauso dazugeschrieben. Ist man sich nicht sicher, kennzeichnet man ihn mit einem Stern und macht im Wort weiter. Das kann dann so aussehen: S*st*n. das Programm gibt die Möglichkeiten schriftlich vor und beim Vorlesen kann man es besser heraushören und wählt: Seestern aus. Und im Idealfall merkt sich der Lerner die Schreibweise. Nachzulesen unter: www.mv-nordic.com/dk/

Mit diesem tollen System gehen wir in die Mittagspause in die Cafeteria, die wir ja nun schon kennen. Dort treffen wir Anja und Signe, zwei Lehrerinnen, die uns besonders auf das Online-Lernen vorbereiten wollen. In dieser Schule werden die Schüler in Klassen unterrichtet. Sie können zwischen verschiedenen Fächern auswählen. Sind aber zu wenige Schüler in einer Fachrichtung, wird diese als Online Kurs angeboten. Da haben dann auch Externe die Möglichkeit daran teilzunehmen. Denn dann wird der Kurs offiziell in das Netz gestellt und andere können sich dazu anmelden. So ergeht es Signe mit Deutsch. Aus den Klassen haben sich nur 8 TN gemeldet, nun hat sie 27 in ihrem Online Kurs. Sie erklärt uns ein bisschen die Lernplattform – eine intensive Unterweisung bekommen wir von dem Technikspezialisten. Die Schüler müssen wöchentlich ihre Aktivitäten nachweisen, indem sie Texte und die Grammatik lesen und die Übungen dazu machen und sie zurückschicken, einen Quizz und Multiple Choice Aufgaben lösen, diese ebenfalls zurückschicken und in den fortgeschrittenen Übungen Texte selber verfassen.

Mit Signe und Anja, die 20 Jahre jünger als Signe ist, entflammt eine interessante Diskussion über die Vor- und Nachteile des online Lernens und des online gestützten Unterrichts. Da ich mir darunter nicht so viel vorstellen kann, bitte ich Anja um eine Hospitation in ihrer Klasse. Darüber berichte ich dann später.

Jetzt wartet die Feier der neuen Schüler/innen für dieses Jahr. Wir werden dabei sein. Und am Abend haben mich der Direktor und seine Frau zu sich in deren Sommerhaus an der Nordsee eingeladen. Ein interessanter erster Tag.

Tag 2: Dienstag, 11.09.18

Wir hatten heute die Möglichkeit mit einem der Deutschlehrer über sein pädagogisches Konzept im Online Lernen zu sprechen. Der Lehrer hatte ebenso wie Signe nicht genügend Schüler und hat nun in seinem Online Programm 35 Teilnehmer. Ein Kurs geht ein Schuljahr lang und er plant 32 Lektionen ein. Eine Lektion ist mit 8 UE zu erarbeiten, das ist auch der wöchentliche Zeitaufwand, den ein Schüler aufbringen muss. Sein eigener Zeitaufwand sind ca. 10 UE/ Woche, um das Programm zu aktualisieren und die Schülerarbeiten zu korrigieren.

Zwei Mal im Jahr können sich die Schüler mit dem Lehrer treffen, um sich kennen zu lernen, auszutauschen und die Möglichkeit zu haben, einmal direkt Deutsch mit dem Lehrer zu sprechen. Denn sonst läuft die Kommunikation über Skype. Einmal pro Woche prüft der Lehrer, ob alle Aufgaben gemacht sind, ob die Leistung stimmt und meldet es per Mail an den Schüler zurück. Meldet er sich nicht, wird er angerufen und aufgefordert, sich intensiver mit dem Lernstoff auseinander zu setzen.

Er ist auch Englischlehrer in der Schule und unterrichtet in Präsenzklassen. Ein Lehrer aus Leidenschaft. Das  merkt man in seinem Unterricht. Daher wundert es nicht, wenn er sich nicht so positiv über das Online-Lernen äußert.

Während des Mittagessens – Frokost – nennt er mehrere Nachteile:

  • Schüler mögen nicht über Skype kommunizieren, deshalb muss er die mündlichen Übungen mit ihnen am Telefon machen
  • sie können somit in der Prüfung sehr schlecht sprechen
  • Es mangelt den Lernern an Selbstdisziplin und mangelnder Selbstlern-kompetenz
  • Der Lehrer kennt seine Schüler nicht und kann keine Verbindung zu ihnen aufbauen
  • Er bekommt kein Feedback über die Geschwindigkeit des Lernens, über die Akzeptanz des Lehrstoffes
  • Für ihn ist das „totes“ Lehren, unpersönlich, sachlich, kalt

Dazu muss ich anmerken, dass der Lehrer ein Lehrbuch Deutsch-Dänisch aus dem Jahr 1993 verwendet. Mit D -Mark, alter Rechtschreibung und unseren alten Grenzen….

Nach dem Essen werden wir von Flemming abgeholt. Wir hören seine Klasse schon von weitem, denn er unterrichtet Technik und die Schüler haben gerade eine Drohne selber gebaut. Somit zeigen sie uns den 3D Drucker, mit dem sie alle Teile gedruckt haben, den Roboter, der Klavier spielen kann und der von den Schülern programmiert wurde und ihren neuesten Film für die 3D Brille. Sie zeigen uns mit verdientem Stolz alles und wir dürfen es auch selber ausprobieren. Das macht allen so viel Spaß, dass der Lehrer uns alle massiv nach Hause schicken muss. Schade!! (aber wir haben uns morgen für die Mittagspause verabredet)

Tag 3: Mittwoch, 12.09.2018

Heute ist director’s day. Ich habe die Gelegenheit den ganzen Tag mit Jens unterwegs zu sein. Da ich selber Leiterin der Volkshochschule bin, haben wir viele Anknüpfungspunkte. Am meisten interessiert mich natürlich die Motivation, diese Art von Schule zu bauen und die Überlegung, e-learning Angebote mit in das Schulkonzept zu integrieren.

Das Gebäude ist jetzt 2 Jahre alt und ist nach Maßgaben von 5 ausgewählten Pädagogen, die auch an der Schule unterrichten, und einer Architektengruppe erbaut worden. Wobei die maßgeblichen Hinweise von den Architekten kamen: sie haben die alten Schulen mit einer Kirche verglichen. Der Pastor steht auf der Kanzel und redet zur Gemeinde, die inaktiv dem Monolog folgen. Auch der Lehrer hat eine Komfortzone zwischen Tafel und Pult, die er ungern verlässt. Die Schüler sitzen in abgeschlossenen Räumen mit starrer Sitzordnung.

Das ist in diesem Gebäude anders: im Zentrum steht die Cafeteria als Aufenthaltsmöglichkeit zum Lernen, sich treffen, Arbeitsgruppen abzuhalten und zu essen. Sie ist wie ein Wohnzimmer eingerichtet mit Sofas zum Entspannen und Sitzen, Bildern und Pflanzen und den ganzen Tag gibt es die Möglichkeit etwas zu essen und trinken. Davon gehen die Klassenräume ab, die zum Teil auch offen gestaltet sind. Die anderen haben eine Abgrenzung mit Glaswänden und Türen. Die offenen Unterrichtsräume können auch variabel mit Stellwänden und Sitzelementen verändert werden. Das Gebäude ist in 2 Ebenen angeordnet mit einem offenen Treppenaufgang und Glaselementen im Dach, die es sehr hell und freundlich erscheinen lässt. Am Anfang mussten sich vor allem die Lehrer sehr daran gewöhnen im „offenen“ Unterricht zu unterrichten. Die Fensterflächen stören dabei am wenigsten, da doch jeder das Gefühl hat, seinen Unterrichtsraum schließen zu können. Probleme haben die meisten Lehrer mit den offenen Räumen. Viele nutzen die Stellflächen, um ein bisschen Abgeschlossenheit herzustellen und den Schülern die Konzentration auf den Unterrichtsstoff zu erleichtern. Jens spricht von Widerständen der Lehrer, diese offenen Lernräume zu nutzen. Zu fremd, zu neu, zu offen.

Mein Eindruck war eher positiv, denn ich beobachtete Lernende, die interessiert am Unterricht der anderen waren und dem auch folgen konnten, indem sie einfach in der Nähe stehen blieben und zusahen. Aber wie überall: ist der Unterrichtsstoff interessant, ist die Konzentration der Lernenden auch auf den Unterrichtsgegenstand fokussiert. Positiv für die offene Gestaltung der Lernräume ist auch das Gefühl, nicht in Klassenräumen eingesperrt zu sein. Alles ist hell, offen, transparent. Das ganze Gebäude habe ich als Orte des Lernens und der Begegnung erlebt. Man sieht in jeder Sitzgelegenheit jemanden alleine oder in Gruppen sitzen, die sich mit dem Unterrichtsstoff auseinandersetzen – müssen.

Die Lernenden sind Erwachsene, die es in dem regulären Schulsystem nicht bis zum Abitur geschafft haben. Sie bekommen hier die 2. Chance, ihren Abschluss nachzuholen und die Studienzulassung zu erwerben. Da es in Dänemark nur die Unterrichtspflicht, aber nicht die Schulpflicht gibt, sind vielfältige Probleme die Ursache, dass die Lernenden es nicht bis zum Abschluss geschafft haben: sie wurden zu Hause unterrichtet, in kleinen privaten Schulen und sind es z. T. nicht gewohnt, einen regulären Schultag durchzuhalten. Gründe für einen späteren Einstieg sind wie überall auch psycho-soziale Probleme oder eine frühe Berufstätigkeit. Deshalb ist die Altersstruktur sehr groß, von 18 – 55 Jahre ist alles vertreten. Die Schüler bekommen alle eine Art Bafög – wenn sie am Unterricht teilnehmen und der Schulbesuch wird über die jeweilige Kommune finanziert. Bei Abbruch müssen sie es zurückzahlen – theoretisch. Im Gebäude hat die Kommune auch die finanzielle und soziale Beratung der Lernenden untergebracht, so dass viele Absprachen direkt stattfinden.

Fern undervisning: in Dänemark ist es eine lange Tradition, Unterrichtsstoff per Fernlehrgang zu konzipieren. Deshalb ist es für sie normal, eine Mischung aus Präsenzunterricht und e-learning zu kombinieren. So können die Lernenden auswählen, ob sie einen Kurs oder die ganze Unterrichtszeit als e-learning Angebote wahrnehmen. Für die Schule ist es eher eine Kostenrechnung, die Angebote als Fernunterricht durchzuführen: ist ein Kurs nur mit 8 Teilnehmern gestartet, wird er als Fernunterricht durchgeführt.

Danach sehen wir uns noch die anderen beiden Standorte an, die Jens als Direktor mit betreut. Ganz dicht – wir fahren jeweils 20 km in den nächsten Ort: in the middle of nowhere. Jetzt verstehe ich das mit dem Fernunterricht!!

Diese Gebäude erinnern mich auch eher an herkömmliche Schulen und ich bin beruhigt, dass nicht alles moderner ist als bei uns.

Tag 4: Donnerstag, 13.09.2018

Heute Vormittag gehe ich zu Sebastian. Er ist Lehrer für Gemeinschaftskunde aber auch der Ansprechpartner für E-Learning Programme.  Und darüber wollte ich ja viel lernen.

Die Schule arbeitet mit dem Programm Edaptio zusammen. Das ist ein Programm auf Googlebasis, das an die Oberfläche von facebook erinnert und schnell von allen Lernenden erfasst wird, da es ihnen bekannt ist. Ein junger Informatikstudent hat es für sie entwickelt!! Jeder Lehrer erstellt seine eigenen Lektionen und auch die Progression des Unterrichts. Ein Lehrplan ist vorhanden, der eingehalten werden muss. Die Lehrer können von zu Hause oder im Schulgebäude ihre Vorbereitungen machen. Man benötigt dafür einen Scanner und mehrere Online Programme, um den Unterricht abwechslungsreich zu gestalten. Anders als bei uns brauchen sie keine Datenschutzerklärungen, keine Copy Rechte und Schutz anderen geistigen Eigentums zu berücksichtigen und können ohne Ende youtube-Filme, Bücher und Bilder kopieren. Was auch gemacht wird.

Zwei Mal im Jahr treffen sich dann die Lernenden mit dem Lehrer im Haus. Ansonsten kennen sie sich nur aus dem Skype Chat. Am Schluss wird eine Prüfung durchgeführt, das sogar mit gutem Abschluss. An den Prüfungstagen befinden sich ca. 300 zu Prüfende im Haus, alle Übungen werden online durchgeführt und so etwas geht aus technischen Gründen nur am Sonnabend – der Server läuft dann auf Hochtouren. Generell haben sie eine externe Serverstation, denn auch im Präsenzunterricht geht alles nur mit WLan.

Sebastian ist auch für die Einführung der Lehrer in das Programm zuständig. Auch hier gibt es die aufgeschlossene Kollegen, die sich sofort mit dem Programm auseinandersetzen, es weiter entwickeln und ihren eigenen Weg gehen, es gibt aber auch 20% Lehrer, die die Arbeit mit dem Online Lernen vermeiden. Meistens muss er Lehrer nachschulen, von Lernenden bekommt er kaum Anfragen. Sie kennen diese Art von Lernen schon aus ihrer Grundschule.

Im Präsenzunterricht bringt jeder Lernende seinen eigenen Laptop mit und schließt es an das WLAN System des Hauses an. Dafür können sie mit dem im Unterricht verwendeten Smartboard zusammen arbeiten. Diese gibt es in jedem Unterrichtsraum, den Aufenthaltsräumen, Büros und Lehrerzimmern. Ein Traum!!

Außerdem arbeiten sie mit einem Raumanzeigeprogramm, das den Lernenden in jedem Kurs den Raum anzeigt, der Kurs erscheint dann auch auf einer Tafel vor dem jeweiligen Unterrichtsraum. Betritt der Lernende das Gebäude, kann er auch aufrufen, wohin er sich wenden muss. Natürlich sieht man auch, ob er da ist….

Nach dem Mittag findet eine große Veranstaltung statt: die Schule soll vor Politikern, Schulleitern und ausgesuchten Kollegen über ihre Arbeit berichten. Da passte es der Schule gut, dass ich da war und ich werde gebeten, einen Bericht abzugeben. Dafür hatte ich mich gestern vorbereitet, halte mit Hilfe von PowerPoint (zum Glück kann ich auch etwas Digitales beitragen) meinen Vortrag auf Englisch und kann der Schule ein sehr positives Feedback geben. So konnte ich etwas Gutes für die Schule und die Kollegen tun, die mir so viel Zeit und Energie gegeben haben.

Tag 5: Freitag, 14.09.18

Heute gehe ich mit Anja in ihren Englischkurs. Anja habe ich am ersten Tag schon kennen gelernt. Sie hat mir berichtet, dass sie gerne mit allen digitalen Medien arbeitet. So etwas möchte ich doch einmal live sehen.

Wir verabreden uns 10 Minuten vor Beginn des Unterrichts, denn sie muss erst alle Computersystem hochfahren: Laptop, an dem sie arbeitet, das Smartboard mit Passwort und ihrer Oberfläche, den Rollwagen für E-Anschlüsse der Schülerlaptops. Dann kommen die Lernenden, schließen ihre Laptops an den E-Wagen und fahren ihre Geräte hoch. Sie verbinden sich mit dem Programm und der Oberfläche, die Anja nutzt und so sieht man auf allen Bildschirmen das Gleiche.

Anja arbeitet mit One Note, das in jedem Windows Paket dabei ist. Was jetzt kommt, kenne ich schon: ich werde gebeten, mich, meine Schule und mein Land einmal vorzustellen. Daraufhin kommen wir in eine nette Unterhaltung.  Aber dann geht der Unterricht weiter – nur dass eine Schülerin ihren Laptop zu Hause vergessen hat, ein Schüler nicht ins WLAN-Netz kommt, alle gute Ratschläge erteilen und er dann doch mit seinem Gerät den Unterricht verlassen muss und einen Techniker sucht. Am Ende der Stunde kommt er dann ohne wieder. Es war eher ein Problem des Gerätes. Ein anderer Schüler, der neben mir sitzt, ist die ganze Zeit auf anderen Seiten unterwegs: auf der Suche nach neuen Autos.

Dabei war ich fasziniert von der Möglichkeit, das One Note bietet. Es wurde ein Film – „Winter’s Bone“ – gesehen und mit Fragen zum Film näher gebracht. Die Lernenden hatten Fragen in Gruppen beantwortet und die Ergebnisse zusammengetragen. Alle konnten die Ergebnisse abrufen und vergleichen. Dabei ist es der Lehrerin möglich, handschriftlich Notizen hinzuzufügen, die ebenfalls am Monitor der Lernenden erscheinen. Das hat große Vorteile auch für diejenigen, die an dem Tag nicht in der Schule sind: alle Informationen werden ihnen angezeigt. Sie können sogar von zu Hause per Laptop am Unterrichtsgeschehen teilnehmen.

In der Pause spinnen wir einen Unterricht der Zukunft per Skype vom Südseestrand, da in Dänemark mal wieder viel Regen, Sturm und Kälte herrscht.

In der zweiten Stunde bekommen alle die Aufgabe, Kriterien anhand des Filmes zu belegen. Die Lernenden suchen sich in Gruppen oder alleine freie Lernplätze und kommen nach einer halben Stunde zurück und präsentieren ihre Ergebnisse.  Durch die vielfältigen Mediennutzungen sehen die Ergebnisse interessant aus: es werden Standbilder des Films, ganze Filmsequenzen mit Textunterlegungen und Copy-Paste Ausschnitte aus dem Internet verwendet. Aber das sei eher nicht gewollt, wie mit Anja später erklärt. Schutz geistigen Eigentums doch auch hier.

Ich bin begeistert, was alles digital zu machen ist, die Lernenden eher mäßig! Für sie ist das eine normale Unterrichtssituation. Später erklärt mir Anja, dass es schwierig sei, die Lernenden zum Lesen zu bewegen. Sie sind eher an das Medium Film gewöhnt und nutzen die Einstellung: bibliographie kaum; eine Schülerin konnte sogar mit dem Begriff nichts anfangen. Dafür habe ich mich in der Gruppenarbeitspause mit dem Smartboard angefreundet. Es ist einfach zu bedienen und bietet viel mehr Möglichkeiten als ein interactive Whiteboard. Diese stehen auch noch im Unterrichtsraum denjenigen Lehrern zur Verfügung, die lieber mit der „veralteten“ Technologie arbeiten möchten.

Wir sprechen über die veränderte Lehrerrolle: durch die digitalen Möglichkeiten kann sich Anja mehr dem einzelnen Schüler zuwenden, ihn beraten, unterstützen und begleiten. Es sei auch einfacher zu unterrichten als Frontalunterricht. Aber sie muss auch viel technisches Verständnis haben und sich in den verwendeten Programmen gut auskennen, um die Lernenden auch da zu unterstützen.

Das finale Abschlussgespräch mit Jens, dem Direktor, Sebastian, dem Technikbeauftragten, den Deutschlehrern und weiteren interessierten Lehrern findet nach dem „frokost“ in der multifunktionalen Cafeteria statt.

Ich berichte noch einmal von meinen Eindrücken, wir stellen Gemeinsamkeiten und wenige Unterschiede fest und ich spreche eine Einladung an meine Schule und einen Besuch in Hamburg aus.

Ich verlasse die Schule mit vielen Ideen, einfachen Lösungen und interessanten Anregungen – und einem dänischen Apfelbaum als Geschenk auf meinem Beifahrersitz.